Florence und Hussein sind frei

Die Anfang Januar im Irak entführte „Liberation“-Korrespondentin und ihr Dolmetscher sind wieder auf freiem Fuß – Grund zur Freude in Frankreich, wo es eine breite Solidaritätsbewegung gab. Die Hintergründe der Freilassung sind nicht bekannt

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Einhundertsiebenundfünfzig Tage hat ihre Geiselhaft gedauert. Genauso lange blieb unbekannt, wer die französische Reporterin Florence Aubenas und ihren irakischen Übersetzer Hussein Hanun festhielt und was die Entführer wollten. Am Samstag gegen 16 Uhr fand im Großraum Bagdad die Übergabe der beiden an den französischen Geheimdienst statt.

Doch die Öffentlichkeit erfuhr davon erst gestern Vormittag. Da saß die 44-jährige Florence Aubenas bereits im sicheren Flugzeug in Richtung Europa, und ihr Übersetzer war zu seiner Familie im Irak zurückgekehrt. Ein großes Empfangskomitee, angeführt von Staatspräsident Jacques Chirac, erwartete die Reporterin der linksliberalen Zeitung Libération gestern Abend an dem Militärflughafen Villacoublay bei Paris.

Erst gestern wurde bekannt, dass die kürzlich befreite rumänische Journalistin Marie-Jeann Ion mehr als einen Monat lang in demselben Versteck im Irak festgehalten worden war wie Florence Aubenas. „Sie war wie eine ältere Schwester“, sagte die Rumänin gestern dem französischen Fernsehen. Seit mehreren Tagen hatten die Verwandten und Freundinnen von Florence Aubenas den Eindruck, dass Bewegung in die Sache geriet. „Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben“, sagte gestern die Mutter von Florence Aubenas, „aber wir hatten eben keinerlei Kontrolle über den Kalender.“

Monatelang warteten die französischen Behörden vergeblich auf Lebenszeichen von Aubenas. Während andere im Irak entführte AusländerInnen unter mehr oder weniger dramatischen Umständen befreit wurden – darunter die italienische Journalistin Giuliana Sgrena, bei deren Befreiung ein italienischer Geheimdienstler von US-Soldaten erschossen wurde – gab es von Aubenas nur ein einziges Video. Im Monat März zeigte es eine abgemagerte und völlig verängstigt wirkende Aubenas, die auf Englisch flehte: „Bitte helfen Sie mir. Es ist dringend.“ Videos mit Kommandoerklärungen in arabischen Fernsehsendern gab es nicht.

Die französische Regierung ließ durchblicken, dass es sich bei der Geiselnahme vermutlich um ein rein finanzielles Manöver handele. Und nicht um ein politisches, wie bei der im Dezember glücklich zu Ende gegangenen Entführung der beiden französischen Journalisten Malbrunot und Chesnot im Irak. Außerdem sagten der Regierungschef und der Außenminister in Paris fünf Monate lang immer wieder nur diese beiden Stichworte zu der Entführung: „Vertrauen“ und „Diskretion“. Auch gestern gab es noch keine Angaben darüber, wer hinter der Entführung steckt, und ob beziehungsweise wie viel Lösegeld gezahlt worden ist.

In Frankreich gab es nur Lob und Freude über den glücklichen Ausgang der Aktion. Die Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie lobte den Auslandsgeheimdienst DSGE, dessen Chef derweil zusammen mit Aubenas im Flugzeug saß. Der Staatspräsident lobte die Regierung und – vor allem – die Familie der Entführten für ihre Würde und ihr Engagement. Und die Angehörigen von Aubenas sowie ihre KollegInnen priesen die Aktion der französischen Regierung.

Zu Anfang der Geiselnahme hatte das anders ausgesehen. Einen Tag, nachdem Aubenas in Bagdad verschwand, sagte in Paris Staatspräsident Chirac am 6. Januar bei einem Neujahrsempfang für JournalistInnen im Elysée wütend, dass die Medien „keine Ahnung“ hätten, wie schwierig es sei, eine Geisel im Irak zu befreien. Er forderte damals – wenige Wochen vor den Wahlen im Irak – alle JournalistInnen auf, nicht mehr dorthin zu reisen.

Aubenas war Ende Dezember als Sonderentsandte von Libération für drei Wochen in den Irak gereist. Die Journalistin hatte in den Vorjahren von zahlreichen anderen Kriegsschauplätzen berichtet, unter anderem aus dem Kosovo, Ruanda und Algerien.

Seit Januar haben die Unterstützungskomitees von Aubenas in Frankreich und dem Rest Europas sowie in der arabischen Welt nie aufgehört, für ihre Freilassung zu trommeln. Täglich erschienen Bilder von ihr und Hussein in sämtlichen französischen Medien. Es gab Konzerte, Ausstellungen und Demonstrationen für ihre Freilassung. Und Libération füllte täglich mehrere Spalten mit Briefen an die verschwundene Journalistin.