die dritte meinung
: Bei jedem Feindbild muss bedacht werden, dass es sich um Menschen handelt, sagt Andreas Gran

Propaganda ist das gezielte Beeinflussen der Wahrnehmung, besonders geeignet, um von der Erforderlichkeit eines Krieges zu überzeugen. Sind wir dem täglich ausgesetzt? Bereits in den Jahren der Pandemie fiel es schwer, gewichtige Argumente aus der Masse von Informationen herauszufiltern. Nun erleben wir mit dem Krieg in der Ukraine eine ähnliche jahrelange alltägliche Informationsflut, wobei Söldnermeinungen ebenso akribisch dargetan werden wie jedwede militärische Entwicklung in Orten, deren Namen die wenigsten je gehört haben. Konkret geht es um einen militärischen Konflikt zweier Nachbarstaaten, dessen Tragweite mehr und mehr ausufert.

Nach dem „kalten Krieg“ hatte man sich fast daran gewöhnt, dass ein konkreter militärischer Konflikt für Deutschland in weite Ferne gerückt ist. Die Gefahr schien einstweilen gebannt. Jetzt aber denkt man wieder an Atomschutzbunker, Notreserven, Wehrpflicht. Wir sind verängstigt.

Andreas Gran

ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Hochschullehrer an der privaten International School of Management (ISM) in Berlin und Frankfurt.

Der Spruch „Stell dir vor es ist Krieg und niemand geht hin“, sollte nicht in Vergessenheit geraten. Wir alle sind derzeit in erheblichem Umfang mit Schwarz-Weiß-Malerei konfrontiert, mit Feindbildern, die ganze Nationen pauschal erfassen und die Menschlichkeit immer mehr in den Hintergrund treten lassen. Solidarität ist wichtig, aber ein solcher Zusammenhalt, der sich nur um nationale Identität dreht und gegen den gemeinsamen nationalen Feind gerichtet ist, bleibt brandgefährlich, im wahrsten Sinne des Wortes. Längst hat sich die Spirale des Misstrauens hochgeschraubt. Welche Ausmaße das erreichen wird, ist ungewiss. Der Sensationslust sollte ebenso entgegengewirkt werden wie den Gaffern bei Autounfällen. Gefragt sind hier die Medien, die nicht durch Sensationsmeldungen Interesse erhaschen sollten. Dahin sollte die öffentliche Meinung gehen. Bei jedem Feindbild muss bedacht werden, dass es sich um Menschen handelt. Es gibt keinen anderen Weg als Sachlichkeit und Menschlichkeit, um aus dem mittlerweile zur Gewohnheit gewordenen Sog von Hass und Angst zu entrinnen.