„Nicht immer nur die Opfer würdigen“

Bürgermeister Ole von Beust legt heute den Grundstein für das staatlich gesponserte Museum des Privatsammlers Peter Tamm im Kaispeicher B. Kriegsgegner rufen derweil zur „Mahnwache“ gegen die zu erwartenden militaristischen Inhalte auf

Von Petra Schellen

Lutz Mohaupt ist optimistisch. Er findet, dass Historie umfassend und ungekürzt dargestellt gehöre: „Man kann nicht immer nur die Opfer abbilden“, sagt der ehemalige Hauptpastor und jetzige Sprecher von Bürgermeister Ole von Beust (CDU). „Die werden an etlichen Orten dieser Welt ausführlich gewürdigt.“ Sprich: Da müssen auch mal die Kriegsherren pur gezeigt werden dürfen.

Die Rede ist vom Museum des Privatsammlers Peter Tamm: Dessen „Internationales Maritimes Museum“ soll im Kaispeicher B entstehen – zu Beginn des Umbaus legt von Beust heute offiziell den „ersten Grundstein“. So ganz allein jedoch werden er und seine Senatoren dort nicht feiern können, hat doch das Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung zeitgleich zu einer Mahnwache gegen die zu erwartenden militaristischen Inhalte des Museums aufgerufen.

Militaria? Lutz Mohaupt weiß von nichts. Und Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) schweigt. Hätten sie nur genau gelesen: 30 Tage sind vergangen, seit Friedrich Möwes bereits rund 600 Mal verkaufter Band „Tamm-Tamm – Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum“ erschienen ist. Weder Lob noch Kritik oder Dementi waren seither zu hören.

Mag sein, dass dies mit dem brisantem Inhalt des Buches zusammenhängt, mag sein, dass in Senat und Bürgerschaft niemand Lust hat, sich weiter mit einem Projekt zu befassen, das bereits festgezurrt ward: Geradezu schicksalhaft erscheint, dass das Museum nach Tamms Gusto gestaltet werden wird. Geschäftsführerin Russalka Nikolov behauptet, es solle ein „Forum der Völkerverständigung“ werden.

Und doch kann nach Erscheinen des Möwe-Buches niemand sagen, er hätte nichts gewusst: Akribisch hat der Autor Belege für Tamms kriegsverherrlichende Grundhaltung zusammengetragen: Da sind etwa die militaristischen Verlage, in die sich Tamm eingekauft hat – Koehlers Verlagsgesellschaft zum Beispiel, die sich während der Nazi-Zeit für NS-Kolonial- und Wehrpropaganda hergab. Kriegsverherrlichende Publikationen ediert auch der Mittler-Verlag: Propagandaschriften für Herrmann Göring zählten hier einst zum Repertoire.

„Welche Motive haben Tamm bewogen, in militaristischer Tradition stehende Verlage zu erwerben?“, fragt Möwe. Zweifelhaft sei auch die Wissenschaftlichkeit von Tamms „Wissenschaftlichem Institut“: „Tamms Welt ist keine akademische, sondern eine der visuell beeindruckenden Dinge“, so der Autor. Zu denen auch Werke der NS-Kriegspropagandisten Adolf Bock und Claus Bergen gehören. Beide zieren Tamms Sammlung.

Doch solche Details sind wohl zu filigran für die politisch Verantwortlichen, zu komplex auch die Folgerung, die sich aus Tamms Verehrung für Kolonisatoren wie Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Bismarck ableitet. Und die von Hitler gegründeten „Spanienkreuze“ und „Deutschen Kreuze“, liebevoll in Vitrinen aufgebahrt? Die werden, so hofft der Senat, ganz bestimmt korrekt beschriftet.

Ein Optimismus, der durch nichts gerechtfertigt erscheint: Nicht nur, dass sich Tamm die alleinige Entscheidung über Form und Inhalt der Präsentation vorbehielt – auch der immer kläglichere „beratende Beirat“ aus Hamburger Museumsleuten ist seit März nicht mehr zusammengekommen, weil immer noch kein Architekt gefunden ist, der zu Tamms Zufriedenheit gestalten kann. „Herr Tamm ist ein ehrenwerter Mann“, säuselt derweil die Kulturbehörde – eigenartig nur, dass sie auf Recherchen so dünnhäutig reagiert.

Dabei sind all die Anwürfe keineswegs erfunden: Es genügt, sich in den Garten der Tamm-Villa zu begeben und einherzuwandeln zwischen Torpedobooten, Kanonen und Landminen. Wieso fürchtet niemand, dass Tamm dies im Kaispeicher prominent präsentieren könnte? Dass das Museum ein Eldorado für Waffenfreaks und Neonazis werden könnte?

Oder hat man davor weniger Angst als vor „militanten Pazifisten“, vor denen das militärische Gerät, wie zu hören ist, mit Panzerglas gesichert werden soll?

Mahnwache heute, 13.30 bis 16 Uhr, Kaispeicher B, Magdeburger Straße 1