Neue Zentralbankchefin in der Türkei: Die jüngste und die erste Frau
Die US-Finanzmanagerin Hafize Gaye Erkan wird neue Chefin der türkischen Zentralbank. Schafft sie es, die Inflation am Bosporus zu bändigen?
Das wird wohl nun vorbei sein. Mit Hafize Gaye Erkan kommt eine amerikanische Investmentbankerin an die Spitze der Zentralbank. Sie hat zwar einen türkischen Pass, ihre Ausbildung und anschließende Karriere aber ausschließlich in den USA absolviert. Dort hat sie bei verschiedenen US-Banken gearbeitete, darunter Goldman Sachs.
Zuletzt war die Finanzmanagerin Co-Chefin der insolventen First Republik Bank, die von JP Morgan gerettet werden musste. Erkan ist damit das Gegenteil der bisherigen von Erdogan berufenen Zentralbankchefs aus seiner eigenen Fraktion, die nur deshalb ernannt wurden, weil sie gegenüber ihrem Chef besonders loyal waren.
Die 1982 in Istanbul geborene Erkan kommt zu einem für die Zentralbank kritischen Zeitpunkt ins Amt. Die türkischen Devisenreserven sind im Minus, die Lira befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt gegenüber Euro und Dollar. „Sie ist nicht nur die jüngste Chefin die die Zentralbank je hatte, sondern vermutlich auch die erste, die persönlich über mehr Devisenreserven verfügen dürfte als Bank“, merkte ein Satiremagazin am Freitag spöttisch an.
Gute Kontakte zur westlichen Finanzwelt
Politische Beobachter vermuten, dass Erkan auf Wunsch des neuen Finanz- und Schatzministers Mehmet Simsek geholt wurde, ebenfalls ein ehemaliger Investmentbanker, der in den USA und Großbritannien bei verschiedenen Banken tätig war. Simsek, der schon einmal von 2009 bei 2018 unter Erdogan Finanzminister, war von Erdogan vor einer Woche installiert worden.
Mit dem Team Simsek/Erkan dürfte wieder eine eher angloamerikanische Wirtschafts- und Finanzpolitik am Bosporus Einzug halten. Beide wurden vermutlich auch geholt, weil sie die über gute Kontakte zu den westlichen Finanzmärkten verfügen. Wahrscheinlich wird die neue Zentralbankchefin im Einklang mit der amerikanischen Fed und der europäischen EZB die Zinsen anheben, um die enorme Inflation, die unabhängige Ökonomen bei 120 Prozent ansetzen, langsam wieder zu drücken.
Simsek hatte als Ziel bereits eine einstellige Inflationsrate in den kommenden Jahren ausgegeben. Das dürfte auch die Voraussetzung dafür sein, dass amerikanische und europäische Banken wieder Vertrauen in die Türkei schöpfen und bereit sind, sich in dem Land zu engagieren.
Die Türkei braucht dringend neue Finanzspritzen. Zuletzt wurde der Kollaps nur dadurch verhindert, dass Russland Öl und Gas zu Schleuderpreisen an Erdogan abgab und die Scheichs aus Katar wiederholt Milliardenpakete an Dollars überwiesen, damit die Türkei handlungsfähig bleiben konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen