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Als Erste erschossen

Die Band „Der Singende Tresen“ bringt seit 20 Jahren Lyrik und Poesie mit Jazz und Klezmerund einer klar linken politischen Haltung zusammen. Ein Porträt

Von Andreas Hartmann

Vor mehr als zwanzig Jahren auf einem Festival zu Ehren Erich Mühsams hat alles begonnen mit der Berliner Band Der Singende Tresen. Ihre letzte Platte mit dem Titel „Mühsam Blues“ – inzwischen auch schon acht Jahre her – hat sie ganz dem von den Nazis ermordeten Anarchisten und Mitbegründer der kurz nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Münchner Räterepublik gewidmet. Mühsam, der Antifaschist, wird immer Begleiter der Band bleiben, auch wenn er auf der neuen Platte „Alles was der Fall ist“ direkt keine Rolle spielt. „Aber vor allem sind wir nun mal eine Live-Band“, erklärt Sängerin und Songschreiberin Manja Präkels. Und auf den Konzerten werde am Ende und als Rausschmeißer eigentlich immer das Mühsam-Lied „Gebt mir Schnaps“ intoniert. Und meist – man muss den eigenen Bandnamen ja auch ein wenig ernst nehmen – werden dann tatsächlich Schnäpse herumgereicht.

Der Singende Tresen ist eine ungewöhnliche Band. Einmal ist da der Säulenheilige Mühsam, in dessen Tradition man sich stellt. Mit den gesellschafts- und sozialkritischen Texten mit musikalischer Begleitung, ganz zu Beginn waren das noch vertonte Gedichte Präkels, werden Bezüge zu Bertolt Brecht und Kurt Weill hergestellt. Sie bringt Lyrik und Poesie mit Jazz und Klezmer und einer klar linken politischen Haltung zusammen. Bleibt dabei aber immer sperrig und unangepasst. Dafür steht schon die sägende Postpunkgitarre, mit der Florian Segelke dafür sorgt, dass sich nicht zu viel Wohlklang auf der neuen Platte breitmacht. Und dann blubbern sogar auch mal Analogsynthies herum, die klarmachen, dass der Tresen mehr sein will als ein Neo-Chanson-Act für das nächste Hoffest der Linkspartei oder ein beschauliches Poesiefestival in Hildesheim.

Der Singende Tresen ist inzwischen die Band mit einer bekannten Schriftstellerin am Mikrofon

Wobei die Band natürlich auch bei genau solchen Veranstaltungen auftritt. Als man die komplette Mannschaft zu einem Frühstückskaffee am Mehringplatz in Kreuzberg trifft, werden ein paar Anekdoten preisgegeben von den kuriosesten Auftritten, die man so hatte. „Einmal haben wir auf einem Antifa-Fest gespielt, bei dem die Security von Nazis durchseucht war“, erzählt Präkels. Und einmal seien sie auf dem Pressefest der DKP in Dortmund aufgetreten, in dessen Rahmen es eine „Ausstellung für den Mauersoldaten“ gegeben habe, besser gesagt, so präzisiert Präkels, eine „Ausstellung für den Mauersoldaten und seinen Hund“.

Sie habe diesen geschichtsvergessenen DDR-Kitsch dann bissig auf der Bühne kommentiert, und „nach dem Auftritt kam der Veranstalter dann zu mir und meinte, dass Leute wie ich unter den Ersten wären, die nach der Revolution erschossen werden“.

Aus den Anfangstagen der Band ist heute niemand mehr außer der Sängerin selbst mit dabei, die ak­tuelle Besetzung besteht nun aber immerhin auch schon seit 15 Jahren. Die Tresen-Mitglieder sind allesamt ausgebildete Jazzmusiker, die noch in zig anderen Bands und Projekten spielen. Kontrabassist Benjamin Hiesinger sagt, der Tresen sei für ihn aber etwas ganz Besonderes. „Ich kann die Texte alle unterschreiben, und es gibt in der Band politisch und gesellschaftskritisch einen klaren Standpunkt. Das vermisse ich bei vielen anderen Projekten“, sagt er. Und dann wäre da noch Markus Liske, mit dem Präkels unter anderem ein Buch über Erich Mühsam herausgegeben hat, der aber kein Instrument spielt und trotzdem mit dazugehört.Er fährt den Bandbus, betreibt seit Kurzem das Label Frops, auf dem nun auch die neue Platte des Tresens erscheint, und nebenbei fungiert er noch als eine Art Produzent. Gitarrist Florian Segelke erklärt, wie man sich das vorzustellen hat: „Im Studio sitzt Markus immer rum als einziger Nichtmusiker und gibt Kommentare ab wie ‚Jetzt mal Butter bei die Fische‘ oder ‚Spielt mal härter‘“. Man sieht: Der Job des Plattenproduzenten kann manchmal auch ganz einfach sein.

Der Singende Tresen: Die aktuelle Bandbesetzung besteht seit 15 Jahren Foto: Regentaucher

Star der Band ist natürlich Präkels selbst. Vor sechs Jahren landete sie mit ihrem autobiografischen Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“, der die Verwerfungen der Wendejahre in der Provinz der DDR beschreibt, einen richtigen Hit. Der Tresen ist somit inzwischen die Band mit einer bekannten Schriftstellerin am Mikrofon.

Dabei macht die Autorin Präkels kaum etwas anderes als die Sängerin. „Wir sind mit dem Tresen immer wieder durch Ostdeutschland gezogen und haben den Leuten das um die Ohren gehauen, was vor ihrer Haustüre passiert und von dem sie nichts wissen wollten“, und meint damit den Rechtsruck etwa in Thüringen oder Brandenburg, wo sie geboren wurde. Und nun liest sie in diesen Bundesländern an Schulen und muss feststellen: „Es brennt überall. Die Probleme sind enorm und die AfD liegt in manchen Gegenden bei über 35 Prozent.“ Und das ist ein Befund, den sich auch Erich Mühsam mit einer ganzen Flasche Schnaps nicht schöntrinken könnte.

Der Singende Tresen: „Alles was der Fall ist“ (Frops Records)

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