Preußen vs. Pipi

In Potsdam steht das Welterbe einer Toilette an einem Sportplatz entgegen. Denn die zuständige Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat dort ein – auch räumlich – weitreichendes Vetorecht. Die Stiftung argumentiert: Ein Klo dort könne das Denkmal beeinträchtigen – selbst wenn es unsichtbar wäre

Von Marco Zschieck

Die Schlösser und Gärten sind für Potsdam in erster Linie ein Segen. Schließlich machen sie aus einer eher kleinen Landeshauptstadt eines kleineren Bundeslands eine Stadt mit herausragender kultureller und historischer Bedeutung, die Millionen von Besuchern anzieht. Doch das Leben in der Preußenkulisse hat eben auch ein paar Nachteile für die Betroffenen. Und hin und wieder führt das zu Konflikten – aktuell um eine Toilette auf einem Sportplatz.

Streitpartner sind die Stadt Potsdam und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG). Streitobjekt ist ein Sportplatz am Rande des Welterbeparks Babelsberg. Der heißt „Nowawiese“, nach Nowawes, dem historischen Namen Babelsbergs, und wird von einem Verein für Kinder- und Jugendfuß­ball genutzt. Der Bau war erst möglich geworden, weil die damalige brandenburgische Kulturministerin Sabine Kunst sich für den Sportplatz entschieden hatte – gegen das Veto der Stiftung, wohlgemerkt.

Allerdings gab es damals Auflagen: Zäune und Flutlichtmasten durften nicht so hoch sein wie üblich und vor allem durften keine Bauten für Sanitäranlagen und Umkleiden errichtet werden. Die Nut­ze­r:in­nen sollten die 750 Meter entfernten Sanitäranlagen des Strandbads Babelsberg benutzen. Das hat sich – wenig überraschend – als unpraktisch herausgestellt.

Das Thema landete deshalb jüngst im Sportausschuss der Stadtverordnetenversammlung. Nach einem Bericht der Potsdamer Neuesten Nachrichten hat die Sportverwaltung im Rathaus nach Kompromissen gesucht. So sollten die Container für Toiletten und Umkleide an die Lärmschutzwand der vorbeiführenden Schnellstraße gestellt werden. Alternativ könnte man diese Funktionen auch überwiegend unterirdisch unterbringen. Nur 80 Zentimeter würden sie über den Boden ragen, zudem hätten sie ein Gründach.

Doch bei der Schlösserstiftung holte man sich auch mit diesen Ideen einen Korb. Jedes neue Bauwerk beeinträchtige das Denkmal, ist dort die Haltung. Mit Denkmal ist in diesem Fall der Park Babelsberg gemeint. Der Sportplatz gehört zwar der Stadt, befindet sich aber in der sogenannten Pufferzone des Weltkulturerbes. Diese umfasst auch die benachbarten Stadtteile und Parks, also in Potsdam praktisch die ganze Innenstadt und das Zentrum von Babelsberg. Bei baulichen Veränderungen muss die Stiftung konsultiert werden – und die kann ein Veto einlegen.

Dass die Stadt nun ein weiteres Mal um Hilfe der zuständigen Wissenschafts- und Kulturministerin bittet – inzwischen ist es Manja Schüle (SPD) –, scheint allerdings unwahrscheinlich. Denn wie sich herausstellte, bekommt die Sportverwaltung internen Gegenwind vom eigenen Denkmalschutz. Der verweist auf die Auflagen zum Sportplatzbau nach der Ministerinentscheidung von vor gut zehn Jahren.

Sanssouci Potsdam und die Schlösserstiftung haben derzeit auch Streit, weil die Stiftung für den Park Sanssouci Eintritt verlangen will, falls die Stadt nicht weiter eine Million jährlich Euro aus eigener Tasche für die Parkpflege zuschießt.

Bewegungsfreiheit Das Budget der Stiftung reicht dafür offenbar nicht aus. Gegner des Parkeintritts fürchten, dass Einlasskontrollen die Bewegungsfreiheit in der Stadt einschränken und arme Menschen diskriminieren. (taz)

Möglicherweise verschafft der Streit um das Örtchen der Stadt wieder unerwünschte Aufmerksamkeit. Mehrfach landete die Stadt in der Vergangenheit mit ihren Possen in der Rubrik „Hammer der Woche“ des ZDF-„Länderspiegels“ und im „Realen Irrsinn“ des Satiremagazins „Extra3“ des NDR.

Einmal hatte das Rathaus etwa von einem lokalen Hotel eine Baugenehmigung für einen Stapel Kaminholz gefordert. Ein anderes Mal ging es um den Plan der Stadt, ein Hotelhochhaus für eine Millionensumme zu kaufen und abzureißen, um an dessen Stelle eine „Wiese des Volkes“ anzulegen. Und um die neue Uferpromenade an der Havel barrierefrei zu erschließen, ließ die Stadt statt einer Rampe einen Lift für 46.000 Euro bauen, der allerdings nur mit einem speziellen Schlüssel benutzt werden konnte.

Für Sport treibende Potsdamer ist der Streit keine Petitesse, denn die brandenburgische Landeshauptstadt gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten Deutschlands. Dabei kann die öffentliche In­frastruktur nicht Schritt halten: Seit Jahren fehlen mindestens ein Dutzend Sportplätze. Doch die Flächen sind rar – und Vereinssport ist keine kommunale Pflichtaufgabe. Ein neues Sportstättenkonzept soll nun bis zum nächsten Jahr zumindest einen Plan ermöglichen.