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Das Wissen über die Klimakrise ist da – was fehlt, sind politische Konsequenzen. Und dafür gibt es Verantwortliche. In einer bis zur #COP28 im Dezember in Dubai laufenden Serie fragt die taz: Wer sabotiert die Entscheidungen, die das Klima retten?

Im Zweifel für das Recht der Umwelt

Von Tobias Müller, Amsterdam

Es war ein bahnbrechendes Urteil, das der Oberste Gerichtshof der Niederlande mit Sitz in Den Haag am 20. Dezember 2019 verkündete. Es besagte, dass die Regierung verpflichtet sei, die CO2-Emissionen des Landes umgehend deutlich zu reduzieren, und zwar um 25 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990. Es bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil von 2015, gegen das der Staat Berufung eingelegt hatte. Unter anderem durch die Reduzierung des Kohlenverbrauchs und den in der Pandemie stark eingeschränkten Autoverkehr wurde die Vorgabe knapp erfüllt.

Als die Klägerin, die Stiftung Urgenda, 2018 auch in zweiter Instanz Recht bekam, rief der Staat das höchste Gericht an. Der ‚Urgenda-Prozess‘ war der erste, in dem Bür­ge­r:in­nen ihre Regierung in die Pflicht nahmen, den gefährlichen Klimawandel zu bekämpfen.

Anderthalb Jahre später, am 26. Mai 2021, entschied ein Gericht, wieder in Den Haag, dass das Unternehmen Royal Dutch Shell als entscheidender Akteur der Shell Group seinen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Niveau von 2019 um 45 Prozent reduzieren müsse, um der Erderwärmung entgegenzuwirken. Damit wurde erstmals die Verantwortung eines Unternehmens für den Klimaschutz gerichtlich festgelegt. Geklagt hatte Milieudefensie, der hiesige Zweig von Friends of the Earth, unterstützt von sechs anderen Umweltorganisationen und mehr als 17.000 Personen. Derzeit ersucht die Organisation erneut um finanzielle Unterstützung, denn Shell ging im März 2022 gegen das Urteil in Berufung. Ende Mai machte Milieudefensie bekannt, dass der Konzern den Auflagen des Urteils nur ungenügend nachkomme. Davon zeuge unter anderem der Beschluss, die Aktivitäten nach São Tomé und Príncipe, Uruguay und Südafrika auszudehnen.

Ebenfalls im Mai 2019 traf erneut der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung mit bis heute andauernden Folgen: Das bis dato angewendete Programm der Regierung zur Kompensierung von Stickstoff ausstoßenden Aktivitäten verstößt gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. Der hohe Stickstoffausstoß des Landes gefährdet die Biodiversität. Geklagt hatten diverse Natur-und Umweltorganisa­tio­nen. Seitdem liegen zahlreiche Bau- (etwa dringend benötigte Wohnungen) und Infrastrukturprojekte auf Eis, und Bäue­r:in­nen protestieren gegen die Regierungspläne, Höfe mit hohen Emissionswerten aufzukaufen.