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Wenn meditative Ruhe für Irritation sorgt

Es ist eine seltsame Prozession, die da am Samstagvormittag vom Hauptbahnhof Richtung Kröpcke zieht. Ungefähr 30 Menschen, alle in einer Reihe, setzen langsam einen Fuß vor den anderen, atmen, abrollen, der andere Fuß. Allein die Langsamkeit irritiert, hier, wo Menschen zu Zügen hasten, Einkaufstaschen schleppen, Fastfood hinunterschlingen.

Viele blicken auf, ist das jetzt Kunst oder was? Nein, die Deutsche Buddhistische Union hat zu einer „konsumkritischen Geh-Meditation“ eingeladen. Die Teilnehmer tragen Plakate vor dem Bauch und auf dem Rücken. Vorne steht: „Was ich wirklich brauche …“ und hinten selbst gewählte Stichworte, etwa „Harmonie“, „Toleranz“, aber auch „saubere Luft“ oder „heilsames Essen für alle“.

Hannover-Mitte

11.400 Ein­wohner*innen.

Buddhisten haben in Bahnhofsnähe ihre Heimat auch im Tibet-Zentrum Hannover. Dort in der Odeon­straße weiß man: „Die Basis der buddhis­tischen Lehre und Praxis besteht darin, ein gutes Herz zu entwickeln.“

Langsam gehen sie durch die Fußgängerzone, vorbei an den Schaufenstern, dem zu verabschiedenden Junggesellen mit dem Dildo auf der Stirn, dem Punk, der nach Kleingeld ruft, dem schwarzen Prediger, der einem Bruder erklärt, dass Jesus von der Sklaverei befreit, dem Verdi-Streiktrupp – und ziehen, ohne ein Wort zu sagen, mehr Aufmerksamkeit auf sich als alle anderen zusammen. Nadine Conti