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: Solidarität als Einbahnstraße

Der hoch umstrittene Einstieg eines Investors in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist tatsächlich abgewendet. Aber allzu großes Triumphgeschrei ist unangebracht: Die breiten Fanproteste spielten für die Entscheidung kaum eine Rolle. Und das Streben der erfolgreichsten Vereine nach noch mehr Profit wird auf anderen Wegen weitergehen

Die Fan­proteste waren enorm, aber viel Einfluss hatten sie nicht auf das Votum der Klubs Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Von Johannes Kopp

Allzu großes Triumphgeschrei über den verhinderten Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball-Liga ist unangebracht. Man freue sich über den gemeinsamen Erfolg, ließ das Fan-Bündnis „Unsere Kurve“ am Mittwoch wissen, und meinte damit die renitenten Klubs, die eine Zweidrittelmehrheit bei der Abstimmung der 36 Erst- und Zweitligisten verhindert hatten.

Trotz eifrigen kommerzkritischen Protests hatte die organisierte Fanszene wenig Einfluss auf die Entscheidung der außerordentlichen DFL-Mitgliederversammlung. Eine sehr große Mehrheit auch der sogenannten fanintensiven Erstligisten sprach sich für den Investorendeal aus. Ebenso Klubs wie Union Berlin oder der SC Freiburg, deren Vertreter sich als Mahner vor ungezügelter Gier in der Branche einen Namen gemacht haben.

Das Gros der elf Gegenstimmen und fünf Enthaltungen wird bei dem geheimen Votum den Zweitligaklubs zugerechnet, die von der Sorge getrieben waren, mit der vorgesehenen Verteilung des Investorengeldes würden sie noch mehr auf Abstand zum Elitezirkel gehalten.

Für mehr Bedarf an Kapital und Kommerzialisierung sprachen sich ebenfalls ausdrücklich die Erstligisten aus Köln und Stuttgart aus, die gegen das Geschäft mit einem möglichen Investor gestimmt hatten. Sie widersetzten sich nur der Logik der Befürworter, es gebe keine Alternative dazu, sich in Abhängigkeit von Kapitalunternehmen zu begeben. Die befürchtete Zementierung der Ungleichheit des nationalen Wettbewerbs werde sich mit dem Entscheid gegen den Investor erst recht verschärfen, sagen die Anhänger des Deals. Letztlich wird derzeit ein Grundkonflikt auf die Spitze getrieben, der schon lange Zeit besteht. Die Frage ist, welche Ungleichheit wirkt für den deutschen Fußball geschäftsschädigender: der Abstand, den deutsche Spitzenklubs zu Real Madrid und Manchester City haben, oder der Abstand, der zwischen dem FC Augsburg und dem FC Bayern besteht?

Watzkes Ansage

Bislang ist es gelungen, die unterschiedlichen Interessen zu einem Kompromiss zu formen. Das Selbstverständnis war das einer Solidargemeinschaft. Wenn der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke nun den Neinsagern erklärte, es solle in der nächsten Zeit keiner mit Solidar-Themen kommen, dann ahnt man, mit welchen schweren Waffen dieser Konflikt in den vergangenen Wochen ausgetragen wurde.

Vereine wie der FC Bayern München und Borussia Dortmund haben in der DFL schon immer mehr oder weniger offen damit kokettiert, ihre Vermarktung selbst in die Hand zu nehmen, um bessere Ergebnisse für sich herauszuschlagen. Diese Drohung, die Aufkündigung der Solidargemeinschaft, könnte in der nächsten Zeit ernsthaftere Gestalt annehmen.

Die Interessenlage der Profivereine ist so disparat, dass in Aussicht auf frisches Kapital ein jeder mangelnde Solidarität beklagen kann. In den Augen des vergrätzten Watzke hätten die kleineren klammen Vereine, um es etwas überspitzt zu formulieren, mehr Mitleid und Herz für die reichen Klubs zeigen müssen, damit diese das Renommee der Liga international stärken können. So erhält der Begriff der Solidarität auch im neoliberalen Denken eine Ehrenplatz. Umgekehrt wies Watzke den noch einmal vom 1. FC Köln vorgebrachten Vorschlag, das Investitionskapital über einen Kredit statt über einen Investor zu organisieren, zurück. Die gesunden Großklubs, argumentierte er, müssten dann auch für miserabel wirtschaftende und mitunter am Rande der Insolvenz stehenden Vereine haften. So funktioniert Solidarität als Einbahnstraße. Das Streben nach Profitmaximierung wird sich andere Wege bahnen. Und die aktive Fanszene wird sich absehbar mit neuen Zumutungen auseinandersetzen müssen.