piwik no script img

Radschnellwege in DeutschlandRockt, aber rollt nicht

Als Fahrrad-Lover kann man sich kaum Geileres vorstellen als einen Rad-Highway. Leider existiert er in Deutschland auch fast nur in der Vorstellung.

Seltenes Exemplar: Radschnellweg zwischen Stuttgart und Böblingen Foto: Marijan Murat/dpa

Radschnellwege sind ein Traum. Den Hügel runterbrettern mit 40 Sachen. Geschmeidig mit dem Zweirad in der Kurve liegen, im Flow fahren. Ohne Ampel, ohne Autos, ohne Anhalten. Als Fahrrad-Lover kann man sich kaum Geileres vorstellen. Nur existieren die Rad-Highways in Deutschland eben auch nur in der Vorstellung oder in Architekturzeichnungen. Geplant, genehmigt und gebaut werden sie in Kriechgeschwindigkeit.

Diese Woche hat die Süddeutsche Zeitung eine niederschmetternde Bilanz für München gezogen. Zehn Jahre nachdem der Bau der sternförmigen Fahrradtrassen anvisiert wurde, wird erst an einer einzigen Strecke gebaut. Fertige Kilometer: Fehlanzeige. Auch in Berlin soll man irgendwann aus allen Richtungen zügig ins Zentrum rollen können.

Schon 2018 hat der Berliner Senat im Mobilitätsgesetz festgelegt, dass mindestens 100 Kilometer Radschnellwege gebaut werden sollen. Fertiggestellte Kilometer? „Meines Wissens: null“, schreibt Stephanie Krone, Pressesprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) der wochentaz.

Silberstreif am Radlerhorizont

„Es geht mit der Umsetzung einfach viel zu langsam voran. Um das von der Bundesregierung anvisierte Ziel vom ‚Fahrradland Deutschland‘ bis 2030 zu erreichen, müssten nach unserer Schätzung in den nächsten sieben Jahren weitere 2.000 Kilometer gebaut werden.“

Wir erinnern uns: Es brauchte eine Seuche, damit wenigstens mal ein kleiner Silberstreif am Radlerhorizont aufblitzte. In der Früh-Corona-Zeit war es plötzlich doch möglich, schnell und unbürokratisch temporäre Fahrradbahnen in Städten zu errichten, substantivische Ungeheuer wie „Machbarkeitsuntersuchungen“ und „Planfeststellungsverfahren“ außer acht lassend. Drei Jahre später ist die Autohegemonie längst wieder hergestellt. Und das Fahrradfahren selbst ist in Großstädten die Pest.

Deutschlandweit sind laut ADFC-Schätzungen überhaupt erst weniger als 50 Kilometer Radschnellweg fertig.

Dem gegenüber stehen mehr als 13.000 Kilometer Autobahn, Jahr für Jahr werden es mehr. Klimakatastrophe? War da was? Das Verkehrsministerium ist leider einmal mehr mit einem Auto-Apologeten besetzt.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ärger der Radfahrenden ist nicht neu

Sicher, in anderen Ländern sieht es noch übler aus. In Deutschland aber kommt auf einen Einwohner ungefähr ein Fahrrad, Radfahrer und -fahrerinnen sind nicht gerade eine Minderheit. Und warum sich nicht an den Pedalenparadiesen orientieren? In den Niederlanden gibt es schon über 400 Kilometer Radschnellwege.

Der Ärger der Radfahrenden ist natürlich nicht neu, aufregen kann man sich immer wieder. Hoffen kann man nur, dass wir die Leisetreterei bald hinter uns lassen und zum Rad-Riot aufsatteln. Derzeit bleibt Radfahrenden in deutschen Ballungsräumen nur Auswanderung oder Selbstauslöschung. Wobei: Die Sache mit dem Ableben übernimmt, wenn man Pech hat und es so weitergeht, irgendwann ohnehin ein fettes Auto, das einen ummäht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ich empfehle dem Autor den Radfernwanderweg Berlin-Usedom. Da kann er seine Wunschvorstellung Kilometer auf Kilometer sofort verwirklichen. Ein echter Radschnellweg mit ganz wenigen Unterbrechungen. Und weit und breit kein Auto in Sicht.

  • Was sind Radschnellwege?



    Ich dachte vor dem Lesen des Artikels an Strecken zwischen Hamburg und Hannover oder Berlin -Hannover oder Hh über Bremen ins Ruhrgebiet.



    Dann geht es aber um Innerortsrouten.



    Wer soll die Nutzen, der Rennradfahrer, der E-Biker oder das ÖkoSUV - das E-Lastenrad mit dem Wocheneinkauf?



    Wie soll die Streckenführung sein - Ringstraße mit Abzweigungen?



    Also uninteressant um schnell in die Stadt zu kommen, weil An- und Anfahrtswege hinzukommen.



    Zum Autobahnschnellbau die A44 bei Kassel ist seit 1976 in der Planung und ist bis heute nur zur Hälfte fertig immer wieder Einsprüche.



    Ich hätte es auf vielen meiner Touren in Europa gerne gesehen, wenn es Schnellrouten gegeben hätte. Auf der einzigen die ich bisher befahren habe, hatte ich meinen schlimmsten Bike-Unfall mit aufwachen im Krankenhaus, ein andere Radfahrer hat meine Vorderradtasche getroffen und ich verlor die Kontrolle.

  • Kaum ist der Mensch im Luxus angekommen, sieht er die Straße nicht mehr als Fortbewegungsmittel für Transport und Verkehr, sondern als Hindernis von Autofahrern für Autofahrer gebaut.

    Lasst die Straße doch mal ein Jahr nur von Radfahrern nutzen, mal schauen wie schnell diese erkennen, dass es noch einen Sinn beim Autofahrern gibt!