So knapp war die Zeit noch nie

Sommerferien? Nicht für die Mitarbeiter des Bremer Wahlamtes. Die arbeiten unter Hochdruck an den Vorbereitungen für eine mögliche Bundestagswahl. Senat beschließt Verstärkung

Alle Wahlberechtigen wollen benachrichtigt werden – aber nur die richtigen

Bremen taz ■ „Sommerferien? Sind gestrichen“, sagt Eberhard Grada. Der Leiter des Bremer Wahlamtes, sein Kollege und zwei Praktikanten stecken bis zu den Ellenbogen in Arbeit. Für den Fall einer Bundestagswahl am 18. September müssen schließlich jetzt schon Wahlhelfer angeworben und Wahllokale organisiert werden, Schulen zumeist. „Bevor die in die Ferien gehen, muss ich Bescheid wissen“, seufzt Grada. Wenn in etwa einem Monat langsam endgültig feststeht, ob gewählt wird, wäre es für ihn zu spät. Also fährt Grada doppelgleisig. Auch wegen des Geldes.

„Es ist ja heute alles ‚lean production‘“, erklärt Grada die Tücken der eiligen Wahlvorbereitung: Je später er das ganze Papier bestellt, desto höher klettern die Preise – bei bundesweit ruckartig steigender Nachfrage müsste er vielleicht sogar auf teure Auslandsimporte umsteigen. „So ist das mit ‚just-in-time‘.“Aber die roten Wahlumschläge bräuchten wir nächstes Jahr ja sowieso“, sagt er. Die bestellt er also gleich. Fällt die Wahl dieses Jahr doch noch aus, lagern die Umschläge bis nächstes Jahr im Keller.

Die Erstellung der Wahllisten allerdings ist komplizierter: Alle Wahlberechtigen wollen benachrichtigt werden – aber nur die richtigen. So knapp war die Zeit noch nie, um die Listen zu aktualisieren. Besondere Aufmerksamkeit genießen in Bremen derzeit rund 3.000 Neubürger, die seit 2000 einen deutschen Pass bekommen haben. Wer von ihnen neben der deutschen unerlaubterweise auch eine andere Staatsbürgerschaft hat, verliert durch eine seit 2000 gültige Gesetzänderung automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft – und ist also auch nicht wahlberechtigt. Wie schon Nordrhein-Westfalen bei der Landtagswahl will auch Bremen nun die Gruppe der neu Eingebürgerten anschreiben. Auch um mögliche Wahlanfechtungen zu vermeiden, hofft die Behörde auf Selbstbezichtigungen von Doppelpass-Bürgern. Denn die vor allem betroffene Türkei hat bislang einem Datenabgleich nicht zugestimmt.

„Wir sind in der Planung für ein solches Anschreiben begriffen“, sagt der Sprecher der Innenbehörde, Markus Beyer. Das Wahlamt hat Zeitdruck: Ist die Wahlbenachrichtigung erst mal rausgegangen, gilt eine Korrektur als aufwendig.

Unterdessen dürfen die Mitarbeiter des Wahlamts wohl bald mit einer personellen Verstärkung durch „Beschäftigte aus Überhangbereichen“ und durch „Nachwuchskräfte“ rechnen. So will es ein Senatsbeschluss von vergangener Woche, der gleichzeitig die eigentlich für die Wahl in 2006 vorgesehene Summe von rund einer Million Euro freigibt. ede