: Honig zum Kaffee
Die Kaffeekooperative Aprolma, von Frauen für Frauen aus Honduras produziert rund um die Kaffeestadt Marcala nicht nur aromatische Bohnen, sondern auch Honig. Neben den zusätzlichen Einnahmen geht es den 69 Frauen dabei auch um die Bestäubung
Von Knut Henkel
Der Geländewagen hoppelt den Feldweg entlang, der aus Marcala Richtung San Miguelito führt. „Es sind nur ein paar Kilometer bis El Cerrón, wo wir ein Grundstück haben, das wir kollektiv bewirtschaften. Dort stehen unsere 50 Bienenkästen“, erklärt Dilcia Vásquez und deutet auf den von Erosionsfurchen gezeichneten Weg, der aus Marcala herausführt. Marcala ist das Mekka des honduranischen Kaffees. Cafe DO Marcala heißt die erste geschützte Herkunftsbezeichnung für Kaffee in der Region. Das Gros der Menschen dort ist stolz darauf. Sie engagieren sich dafür, die Qualitätsstandards zu halten. Das ist bei Aprolma, der einzigen von Frauen betriebenen Kaffeegenossenschaft der Region, nicht anders. „Um langfristig Qualitätskaffee zu produzieren, brauchen wir eine intakte Umwelt und dabei spielen die Bienen eine zentrale Rolle“, so Vásquez. Sie baut auf etwas mehr als einem Hektar Kaffee an, ist die Präsidentin der 69-köpfigen Genossenschaft und mitverantwortlich dafür, dass die Zahl der Bienenvölker binnen drei Jahren von 15 auf 50 stieg.
Der Pick-up erreicht eine kleine Kreuzung, wo ein Feldweg in eine Talsenke führt. Wir passieren ein Gatter, auf einer Freifläche dahinter stehen junge Kaffeepflanzen, gegenüber den weißen Holzkisten mit dem Logo von Heifer International. Die Entwicklungsorganisation aus dem US-Bundesstaat Arkansas ist in der Region von Marcala aktiv. „Mit Geflügel-, Vieh- und Anbauprogrammen haben sie zur Verbesserung der Versorgungssituation beigetragen. Die Bienen sind eine neue Initiative – die läuft seit vier, fünf Jahren“, sagt Vásquez. Dann steigt sie aus dem Wagen, greift sich die Imkerausrüstung auf der Ladefläche und reicht sie weiter an Telma Zelaya und Sandra Gomez.
Zelaya ist die Frau, bei der alle Stränge in Sachen Bienen zusammenlaufen. Die Agrartechnikerin startete mit 15 der 69 Aprolma-Frauen im Jahr 2019 und baute das Bienenprojekt in den letzten Jahren aus. Mittlerweile sind 35 Frauen mit dabei. Ohne Heifer, die sowohl Equipment, aber auch Weiterbildungskurse anbieten, wäre das kaum möglich gewesen. Die ersten Erträge können sich sehen lassen. „Wir ernten rund 35 Flaschen à 750 Milliliter pro Bienenvolk und verkaufen den Honig lokal, meist in der Nachbarschaft“, erklärt Zelaya, während sie in den groben weißen Imkeroverall schlüpft, den ihr Vásquez hinhält. „Unsere Bienen sind aggressiv“, erklärt sie und nimmt den zylinderförmigen rauchenden Metalltopf entgegen, dessen Rauch die Bienen davon abhalten soll, die Imkerinnen anzugreifen. Dann ist auch Gomez in den Overall geschlüpft, hat den Kopfschleier zurechtgerückt und den Sitz der Handschuhe penibel überprüft, um nicht wie beim letzten Mal gestochen zu werden.
Bevor die beiden Kurs auf die Bienenkästen nehmen, lassen sie den Blick prüfend über Stockmeißel und Abkehrbesen gleiten. Beide Instrumente werden sie gleich benötigen: das erste, um die Rahmen aus den Bienenkästen zu lösen, sie hochzuziehen und die Waben in Augenschein zu nehmen. Die werden dann mit dem weichen Besen von den Bienen befreit, wobei der Smoker eine entscheidende Rolle spielt. In der zylindrischen Kammer brennen Sägespäne, Kräuter und etwas Pappelholz, die mit einem kleinen Blasebalg hin und wieder mit Sauerstoff versorgt werden, um ausreichend Rauch aufsteigen zu lassen, der über die Tülle gezielt eingesetzt werden kann, um die Bienen abzulenken.
Das ist wichtig, wie sich gleich darauf zeigt, als sich die Imkerinnen am ersten Bienenkasten zu schaffen machen. Die Abdeckung wird gelöst, dann der erste von mehr als einem Dutzend Rahmen mit prall gefüllten Waben hervorgezogen. Dutzende von Bienen bedecken die Handschuhe von Sandra, während Imkerin Telma den Smoker einsetzt, um die Bienen erfolgreich einzuräuchern, sodass nur wenige zum Angriff übergehen. Genau das soll der Smoker verhindern und das funktioniert, lobt Zelaya. Die Bienen gehen auf Distanz zu Imkerin Sonja, die Rahmen auf Rahmen inspiziert, den ersten Bienenkasten wieder verschließt und den nächsten öffnet.
Alle paar Wochen inspizieren die beiden die Binnenkästen der Genossenschaft, manchmal zu zweit, so wie heute, manchmal zu viert. Das hat Gründe, denn es gilt, mehr und mehr Genossinnen in die Arbeit einzubinden und peu à peu die Zahl der Bienenvölker auszubauen. „Wir sind dabei zu lernen, wie wir eigenständig Königinnen aufziehen, neue Völker aufbauen und in diesem Jahr erstmals auch Pollen ernten werden“, so Zelaya.
Damit bauen sich die Aprolma-Genossinnen Schritt für Schritt eine zusätzliche Einnahmequelle auf. Anders als beim Kaffee, der zu mehr als achtzig Prozent nach Deutschland geht, verkaufen die Genossinnen ihren Honig vor allem lokal.
Einen Markennamen und eine Exportlizenz gibt es nicht. Damit haben es die Frauen der Kaffeekooperative auch nicht sonderlich eilig. „Die Honigpreise hier sind attraktiver als auf dem internationalen Markt“, so Zelaya. „Für uns lohnt es sich zumindest derzeit nicht, unseren Honig zu lizenzieren, zu zertifizieren und so zu verpacken, dass er die Importkriterien der EU oder der USA erfüllt.“
Deshalb planen die Imkerinnen vorerst, nur die Produktion auszubauen und die Lebensgrundlagen für die fleißigen Insekten rund um Marcala zu verbessern. Dazu gehört das Zwischenpflanzen von Obstbäumen, das Anlegen von blühenden Grünstreifen zwischen den Farmen sowie das Überprüfen der Bienenkästen und der Bienenvölker auf Krankheiten. „Die sind bisher selten“, erklärt Zelaya und streift den Imkeroverall wieder ab. Der landet auf der Ladefläche des Pick-ups. Dann drängt Zelaya zum Aufbruch, sie hat noch auf ihrer eigenen Farm zu tun.
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