Die Socceroos sind ohne Furcht

Die Australier glauben, dass sie die Deutschen heute beim Confederations Cup schlagen können; Rudi Gutendorf, einst Trainer in Down Under, traut ihnen immerhin ein Remis zu

FRANKFURT taz ■ Es hatte etwas Bewegendes, als Rudi Gutendorf da auf dem Rasen stand und eine Ansprache hielt. Der Rasenplatz war in ein weiches Licht getaucht, die Sonne blinzelte zwischen den Wolken hindurch. Für einen Moment war er wieder Trainer, und er redete. So wie er es immer gemacht hat, als „Riegel-Rudi“ in Duisburg und in all den Ländern der Welt. Gutendorf hat sicher mehr Länder gesehen als alle Päpste zusammen. Vor ihm hatten die „Socceroos“ einen Halbkreis gebildet und lauschten. Keiner grinste oder schaute gelangweilt zur Seite. Sie blickten ihm direkt ins Gesicht, ehrlich, aufrichtig, und sie hörten dem Mann zu, der von 1979 bis 1982 Nationaltrainer Australiens war. Nun besuchte er den Coach, der mit den Fußballern von heute beim Confederations Cup gegen Deutschland das „Eröffnungsspiel“ (21 Uhr/ARD) bestreitet: Frank Farina (40).

Die beiden kennen sich. Rudi und Frank. Es ist das, was man ein väterliches Verhältnis nennt. Vor Jahren gewachsen und auf ewig prägend. Gutendorf hatte den damals 16 Jahre alten Farina in der Jugendnationalelf Australiens trainiert. Heute hat Farina ein Büro in London. Viele der Australier spielen als Profis in England. Sie üben ihren Sport aus, wie Australier jeden Sport ausüben, mit viel Selbstvertrauen: „Wir können Deutschland schlagen“, sagt David Zdrilic. Die Überzeugung ist echt, weil sie daran glauben, dass jeder überall eine Chance hat. Ob das nun im kargen Outback in Zentralaustralien ist oder eben hier in „Good old Germany“ auf dem Fußballrasen. Zdrilic kann sogar Deutsch, er spielte in Ulm, Unterhaching und Trier. Durch die Erfahrung der vielen Australier in ausländischen Ligen, vor allem denen in England, „hat das Spiel an Qualität gewonnen“, meint Zdrilic, auch wenn Harry Kewell vom Champions-League-Sieger FC Liverpool verletzt fehlt.

Rudi Gutendorf sitzt neben dem Trainingsplatz auf der Bank. Wie früher. Er plaudert und erzählt alte Geschichten. Vizemeister mit dem Meidericher SV, groß beim HSV und dann irgendwann Australien. Sie hatten ihm damals einen Mercedes mit „holzfurniertem Armaturenbrett“ als Dienstwagen vor die Tür gestellt. Er stand stolz auf seinem Balkon und hat ihn den Besuchern von oben gezeigt. Jetzt lächelt Gutendorf wieder. Sie stehen hinter ihm, alle „Socceroos“, und sie lächeln auch. Die Fotografen knipsen wie die Wilden und Gutendorf hält das australische Trikot mit der Nummer 24 in Richtung der Objektive. Sie haben es ihm geschenkt. Und er hat ihnen für die nächsten Monate alles Glück der Welt gewünscht. Sie müssen noch gegen die Solomon-Inseln gewinnen und dann in zwei Play-off-Spielen gegen den Fünften der Qualifikationsgruppe aus Südamerika antreten. Nur 1974 schafften es die „Aussies“ und waren bei der WM in Deutschland dabei. Auch deshalb gibt es den Antrag, in den asiatischen Verband aufgenommen zu werden. Entschieden wird im September.

An der Konstabler Wache in Frankfurt ist es laut. Das Hotel der Australier liegt an einer stark befahrenen Straße. „Die meisten denken doch, dass wir für die Deutschen so etwas wie die Vorspeise sind“, sagt Frank Farina und lacht. Er hat in Bari, Straßburg, Lille und beim FC Brügge gespielt. Mit einem Erfolg gegen Deutschland und der Qualifikation für die WM könnten sie daheim ein paar Stunden mehr Fernsehzeit erobern.

„Ich traue euch ein Unentschieden gegen Deutschland zu“, sagt Rudi Gutendorf. Er schüttelt Frank Farina fest und lang die Hand zum Abschied. Er flüstert ihm noch ein paar Tipps ins Ohr und steigt dann in den dunkelblauen Mercedes mit den weißen Ledersitzen. Am Mittwoch wird er im Stadion sitzen und seinen „Socceroos“ zuschauen, mit gemischten Gefühlen. „Irgendwie ist das immer noch meine Mannschaft“, sagt Gutendorf. Die Augen sind ein wenig feucht geworden, der Wehmut wegen, und das australische Nationaltrikot hält er jetzt ganz fest in seiner Hand. OLIVER TRUST