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: Opfer der Parteipolitik

Die Energieagentur dena stand immer unter politischem Einfluss. Ihr Hauptjob – die Fachberatung bei der Energiewende – wird so ausgebremst

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) ist in aller Munde. Das ist ein völlig neues Gefühl für die 400 Mitarbeitenden. Als die technische Werkbank der Energiewende würde sie eigentlich schon gerne viele Leute erreichen, aber natürlich nicht mit Skandalnachrichten. Aber bereits die Gründung dieser Bundes-GmbH im Jahr 2000 war von parteipolitischer Trickserei geprägt. Das Bundeswirtschaftsministerium schuf die Agentur, die eigentlich als Gemeinschaftsprojekt geplant war, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, um klarzustellen, wer hier das Sagen haben würde.

Besetzt wurde es auch schon damals mit einem Freund des Hauses, Stephan Kohler – der gleichzeitig ein enger Vertrauter von Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier war, der niedersächsischen SPD-Connection. Der Augsburger war zuvor bereits Chef der niedersächsischen Landesenergieagentur gewesen – technisch also qualifiziert. Politisch aber von Beginn an diskreditiert.

Das ganze Polittheater – damals wie heute – ist eine Katastrophe, denn es schadet dem so wichtigen Mandat einer Deutschen Energie-Agentur: die Energiewende mit Information und Kommunikation voranbringen, sie erklären und Bürger und Unternehmen zum Mitmachen motivieren. Das ist heute dringender notwendig denn je. Durch Putins Krieg und die Energiekrise haben auch die Grünen Probleme, diesem ebenso disruptiven wie langfristigen Transformationsprozess Richtung und Kontinuität zu geben. Und die Klima­kri­se hat leider keine Pause gemacht, während die Politik in den Merkel-Jahren schlief.

Dabei ist die Aufgabe der dena nicht das Machen von Politik. Vielmehr arbeitet die dena im vorpolitischen Raum – da, wo es an die Entwicklung von Ideen geht –, und bei der Umsetzung von Gesetzen. Gerade bei der Umsetzung der Energiewende fehlt es aktuell ganz massiv an Wissen.

Eine echte Deutsche Energiewende-Agentur müsste ein neutraler Informationsgeber für Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen sein. Das ist angesichts der vollkommen irrational aufgeladenen Debatte über „Habecks Heizhammer“ nötiger denn je. Zielgruppe der dena sind nicht (nur) Politiker:innen. Wirklich entscheidend ist die Information in die Breite. Energieverbrauchende, Haus­eigentümer:innen und Unternehmen praktisch aller Branchen benötigen leicht zugängliches Wissen darüber, wie sie ihren Energieverbrauch ohne Wohlfahrtsverluste einschränken und ganz praktisch auf erneuerbare Energien umsteigen können.

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Christine Wörlen ist Gründerin und Geschäftsführerin der Klimaschutz- und Energieberatung Arepo und war Leiterin des Bereichs Regenerative Energien der Deutschen Energie-Agentur von 2007 bis 2009.

Hierzu kann die dena direkt beraten. Vor allem aber sollte sie auch Landes- und Kreisenergieagenturen, Verbraucherzentralen, Mietervereine, Schuldnerberatungen, Industrie- und Handelskammern und andere Organisationen in die Lage versetzen, selbst zu Energiewendemittlern zu werden. Diese Informationsfunktion kann keine andere staatliche Institution so systematisch wahrnehmen wie die dena, auch wenn sich die Verbraucherzentralen und NGOs redlich bemühen.

Aber die dena hat weitere wichtige Aufgaben. So leidet die deutsche Energiewende zum Beispiel unter einem erstaunlichen Datendefizit. Unsere Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen fliegen in weiten Bereichen im Blindflug oder zumindest in einem dichten Nebel. Wie der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, bereitwillig zugibt, kann er nur recht grob abschätzen, wie hoch der Wärmebedarf überhaupt ist. Aber Bauchgefühl kann teuer werden – zum Beispiel beim Gaseinkauf oder der Pacht von Flüssiggasstationen.

In Deutschland werden Energiedaten von der Industrie zusammengestellt. Früher von der sogenannten Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, betrieben vom Braunkohleverband, heute vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Aber stellt die Gewährleistung der Energiesicherheit nicht eine hoheitliche Aufgabe der Daseinsvorsorge dar? Sollte nicht der Staat selbst sicherstellen, dass er jederzeit die Datenbasis für seine Entscheidungen hat? Im Strombereich, der von der Bundesnetzagentur reguliert wird, sieht es besser aus als in den Bereichen Gas und Wärme. Im Gebäudebereich gab es bis vor wenigen Jahren nicht einmal deutschlandweite Statistiken zur Zahl der Gebäude, geschweige denn zu ihrem Energieverbrauch. Auch hier muss die dena ansetzen.

Das führt zur dritten wichtigen Rolle, die die dena einnehmen sollte. Die dena ist eine Plattform für den Austausch zwischen den Akteuren der Energiewende. Das sind einerseits die Energieunternehmen. Aber dazu gehören auch die Ver­brau­che­r:in­nen und andere Gruppen. Sie haben eine – oftmals unnötige und übertriebene – Angst vor den Veränderungen, die Energiewende und Klimaschutz mit sich bringen. Neben den klassischen Zielgruppen Industrie und privaten Ver­brau­che­r:in­nen betrifft die Energiewende ja mittlerweile auch Kultureinrichtungen, Kirchen, Vereine, Medizin und Sportvereine. Die Energiewende und noch viel mehr der Klimaschutz sind Querschnittsthemen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs benötigen.

Das Wirtschaftsministerium schuf die Energie-Agentur einst in einer Nacht-und-Nebel-Aktion

Es sind zwar Krisen wie Krieg und Klima, die uns zwingen, nun diesen Diskurs zu führen. Die Deutsche Energie-Agentur sollte ihm aber Ziel­orien­tierung verleihen und in eine konstruktive Bahn lenken.

Diese drei Funktionen – Informieren, Analysieren, Kommunizieren – wären wichtig. Schade, dass sie immer wieder der Parteipolitik zum Opfer fallen. Umso wichtiger ist es, dass die oder der neue zu findende Che­f:in die dena neu positioniert – zur Deutschen Energiewende-Agentur. Agentur kommt von Lateinisch agere – handeln, und dena sollte das auch tun: Sie sollte uns befähigen, die Energiewende richtig umzusetzen. Sie sollte uns motivieren und dazu bringen, die Energiewende zu leben. Das hat nichts mit dem Parteibuch zu tun. Es ist einfach nur harte Arbeit.