berliner szenen
: Mit WBS oder gar nicht mehr

Ich fahre nach Reinickendorf und besuche dort einen Freund, der seit Kurzem da wohnt. „Reinickendorf?“, fragte ich etwas entsetzt, als T. mir von seinem Umzug am Telefon erzählte. „Ja, na ja“, meinte er. „500 Euro Miete für die Einzimmerwohnung ist ein schlagendes Argument. Das bekommst du in Neukölln nur noch mit WBS oder gar nicht mehr. Und vielleicht ist es mal ganz schön, ruhiger zu wohnen.“

Jetzt laufe ich vom U-Bahnhof Lindauer Allee in Richtung Reinickendorf downtown. Die Häuser sind schätzungsweise aus den 50er oder 60er Jahren und sehen alle gleich aus. Ich laufe auf geschwungenen Wegen durch begrünte Streifen zwischen den Häusern entlang. Mir begegnen vor allem ältere Leute, viele mit Rollatoren, in Jogginghosen und zerschlissenen Hausschuhen. Sie sehen mich an, als würden sie überlegen, warum ich mich hierher verirrt habe. Mich wundert das ein bisschen. Vielleicht liegt es an meinem pinken Rock, überlege ich.

In einem weiteren Gartenstück zwischen den etwa vierstöckigen Häusern kommt mir ein Mann entgegen. Auch er trägt Jogginghose und Badeschlappen. Er hat ein rotes verquollenes Gesicht und als wir auf einer Höhe sind, raunt er mir zu: „One two fuck you.“ Dabei rotzt er mir fast auf die Füße.

„Ihh“, entfährt es mir. Ich bleibe entsetzt stehen und drehe mich noch mal um. Der Mann geht stoisch weiter, als sei nichts gewesen, aber auf seinem T-Shirt lese ich ebenfalls: One two fuck you.

Ja selber, denke ich und stapfe weiter. Als ich bei T. die glatte Steintreppe im Hausflur nehme und ihn nach ein paar Stockwerken an einer der Türen stehen sehe, rufe ich erleichtert: „Ich bin irgendwie froh, dich zu sehen.“

„Pscht“, macht T. mit einer Geste auf die umliegenden Türen, „die Nachbarn sind etwas sensibel.“ Ich muss leider trotzdem richtig laut lachen. Isobel Markus