Willkommen rund ums Nuyorican Poets Café

NEW YORK Auf seinem Soloalbum lädt Ray Lugo, der Frontmann der Afrobeat-Kapelle Kokolo, zu einem Streifzug durch sein Stadtviertel ein, das ihn musikalisch geprägt hat. Heute ist „Loisadia“ gentrifiziert

VON STEFAN MÜLLER

Schlendert man mit dem Musiker Ray Lugo durch die Lower Eastside von Manhattan, dem Viertel der puertoricanischen Einwanderer rund um das legendäre „Nuyorican Poets Café“, dann unternimmt man einen Streifzug durch 30 Jahre Musikgeschichte. Heute prägen gehobene Bistros und sogar ein deutsches Bierhaus das Bild von Loisadia, wie das Viertel genannt wird, in dem der Frontmann der Afrobeat-Band „Kokolo“ seine Kindheit und Jugend verbracht hat.

„Damals war das eine geführliche Gegend, schmutzig und völlig heruntergekommen“, erinnert er sich, „viele Gebäude wurden von den Mietern abgefackelt, weil die Stadt damals eine Pauschale für solche Fälle zahlte.“ Es war aber auch die beste Zeit für Subkulturen aller Art – und für HipHop, Punkrock und elektronische Musik. „Als Kids sind wir schon früh in die Clubs reingekommen, weil niemand unser Alter gecheckt hat.“ Ray hatte außerdem noch einen tanzverrückten Stiefvater, der ihn oft zu den Konzerten der Fania-Allstars mitgeschleppt hat, jener famosen Salsa-Band, in der jeder der Musiker „ein Monster an seinem Instrument war“, schwärmt Lugo.

Auch für sein Soloalbum schöpft Lugo aus einem Pool von exzellenten Musikern: Latin-Perkussionist Fernando Velez hat schon für „The Dap Kings“ getrommelt, die jetzt mit Sharon Jones unterwegs ist. Gitarrist Andy Averbuch kommt aus dem Stall von Boogaloo-Vorreiter Joe Bataan; die Sängerinnen Elani aus Brasilien und Roxie Ray aus Australien haben ihm Freunde empfohlen. Die Rap-Parts stammen von Omar Abdul und Jamar Thrasher. „Ich wollte unbedingt mit diesen MCs aus Pittsburgh arbeiten, weil es da eine ganz neue Szene gibt um Leute wie Wiz Kaleefa“, sagt Lugo.

Wenn es um Afrobeat geht, ist er in seinem Element. Der Track „Super Saoco“ war ursprünglich für seine Band Kokolo gedacht, nun bildet er das afrokubanische Highlight des Albums. Im Text geht es um „Papa Chango“, eine heidnische Figur, die auf Kuba angebetet wird. Brasilianische Musik hingegen hat Lugo immer Respekt abgenötigt. Er wollte sie nicht imitieren, sondern in seinem Sinne interpretieren: Sein Sehnsuchtssong „I Dream Of Bahia“ ist der Sommerhit des Albums, der Remix für die Houseclubs wird gleich mitgeliefert.

Dass es das Album überhaupt gibt, ist den Machern der kleinen Münchner Plattenfirma „Jazz & Milk“ zu verdanken. Sie hatten einige Maxisingles gehört und wollten mehr Material von Ray. Als sie merkten, welche Bandbreite der Mann aus Manhattan auf Lager hatte, war seine Solo-CD beschlossene Sache.

„Live more, consume less … with more joy and less stress“ steht auf der CD. Weniger Konsum gleich weniger Stress. „Das ist jedenfalls mein Motto“, sagt Ray Lugo. Es stammt noch aus den Anfangstagen seiner Band Kokolo: „Wir waren stark von den politischen Aussagen Fela Kutis geprägt“, gesteht er.

Heute aber habe die Politik erst recht abgewirtschaftet. „Bei all den drängenden Fragen – Bevölkerungsentwicklung, Umwelt, Armut, Wirtschaftskrisen – geht es nicht wirklich voran“, findet Ray Lugo. „Wir brauchen aber neue Perspektiven! Das will ich mit meiner Musik ausdrücken.“ Ein gutes Leben und das kapitalistische Konsummodell seien nicht alles. Sein Vorschlag: „Geh raus in die Sonne, triff dich mit Freunden, reise durch die Welt – und konsumiere weniger!“

■ Ray Lugo: We Walk Around Like This (Jazz & Milk/Kudos)