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Wenn einem das Parfüm fast die Vernunft raubt

Einen Tag, nachdem ich festgestellt hatte, dass ein taz-Gehalt in diesen Zeiten nicht gut zu einem Leben als Alleinerziehende passt, betrete ich in Hannovers Innenstadt die Parfümerie „Liebe“, laut Website „eine der größten inhabergeführten Parfümerien Europas“. Hier gibt es nicht nur das Zeug, das jede Kette vertickt, sondern auch Produkte kleiner, interessanter Firmen. So ein Parfüm will ich kaufen, mein erstes seit 35 Jahren. Ich möchte etwas bei mir haben, das mir ein gutes Gefühl gibt. Ich rechne mit 150 Euro für 50 Milliliter und vermute dieselben psychologischen Mechanismen wie bei Menschen, die in der Klimakrise Flugreisen buchen.

Zur Vorbereitung habe ich aufgeschrieben, was ich gern rieche. Die Verkäuferin freut sich über „Regen“ auf der Liste, läuft weg, kehrt mit mehreren Flakons zurück und besprüht Papierstreifen, die ich mir unter die Nase halte. Kein Parfüm überzeugt sofort, sie sprüht mir vier auf die Arme und schickt mich fort. Duft müsse sich entfalten, sagt sie, es brauche Zeit, um das ganze Bouquet kennen zu lernen. Die Befreiung vom Kaufdruck ist fast das Schönste am „Liebe“-Besuch.

Hannover-Mitte

11.400 Ein­woh­ner*innen.

Neben schnuppern kann man in Mitte auch schauen, zum Beispiel das zwischen Nachkriegsbauten eingepasste älteste Fachwerkhaus Hannovers von 1566, das den Luftangriff auf die Stadt überstanden hat.

Tags darauf erstehe ich für 33 Euro 10 Milliliter Parfüm, ein Rest Vernunft ist mir geblieben. Regen ist nicht drin, aber die Spree. Eiken Bruhn

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