Bäume sind umschlagbar

Immer wieder planen Tiefbauämter den Kahlschlag: Jetzt sollen in der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain Linden gefällt werden. Diese Radikallösung sei oft völlig unnötig, kritisiert der BUND

VON KATHI PREPPNER

Dagegen sehen Grünlilien auf dem Fensterbrett blass aus: Wer mit Blick auf die Simon-Dach-Straße wohnt, hat jeden Sommer frisches Grün am Fenster – dank der Linden, die dort auf dem Bürgersteig stehen. „Die Bäume gehören quasi zur Wohnung“, sagt Anwohnerin Margarete Steinhäuser. Doch vielleicht nicht mehr lange. Damit der Gehweg problemlos geebnet werden kann, soll fast die Hälfte der 27 Linden im südlichen Teil der Straße gefällt werden.

Das wollen die Anwohner der Straße nicht zulassen. Innerhalb weniger Tage haben sie über 700 Unterschriften gesammelt; am Dienstagabend legten rund 50 Betroffene bei einer Bürgeranhörung Vertretern vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, darunter Baustadtrad Franz Schulz (Grüne), ihr Anliegen nahe. Einige Anwohner hatten sogar schon Baumstämme und Wurzeln vermessen und zählten von Rinnen bis zu Gehwegerhöhung Möglichkeiten auf, wie sie die Linden trotz Gehwegebnung retten könnten.

Doch häufig wird anstelle solcher Maßnahmen gleich die Säge ergriffen. An der Bernauer Straße in Mitte fielen Anfang Mai 163 Bäume den Bauarbeiten für Straßenbahngleise zum Opfer. Auch in Neukölln sieht es an einigen Stellen schwarz aus für das innerstädtische Grün: Am Columbiadamm zwischen Golßener und Hermannstraße sollen 180 Bäume gefällt werden – ein weitgehender Kahlschlag. Die Baumaßnahme ist notwendig, sagt selbst Martin Schlegel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), denn die Fahrbahn ist derart geschädigt, dass bereits Tempo 30 eingeführt wurde.

Trotzdem müssten längst nicht alle Bäume dran glauben, findet Schlegel. Obwohl ihr Erhalt oftmals möglich wäre, holten die Tiefbauämter allzu schnell zum Rundumschlag aus. Auch mittelalte und gesunde Bäume würden oft einfach gefällt, so der Fachreferent für Verkehrspolitik. Dies sei für die Baufirmen weniger aufwändig, denn sonst müssen sie alle Bäume im Bereich der Baustelle gemäß einer entsprechenden DIN-Norm schützen. Außerdem spiele das Geld eine Rolle: Einen Baum zu entfernen kostet weniger als langfristige Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen. „Das hat mit dem eigentlichen Begriff der Nachhaltigkeit nichts zu tun“, sagt Martin Schlegel. Bäume würden schließlich auch Schatten spenden, Staub binden und Lärm dämpfen.

Und sie verschönern das Stadtbild, bis hin zum Wohnzimmer – zumindest aus der Perspektive der Anwohner. Diese versuchte am Dienstagabend bei der Bürgerversammlung auch Baustadtrat Schulz einzunehmen: „Zusammen mit den Anwohnern kann man das Problem genauer erfassen. Man sieht mit anderen Augen“, sagte er. Auch Schulz erkennt bei den Tiefbauämtern eine Tendenz zur Fällung statt zur Rettung von Bäumen. Häufig sei dies für das Amt die einfachste Lösung. Wie entschieden werde, hänge stark vom jeweiligen Tiefbauamt ab.

Was die Linden auf der Simon-Dach-Straße angeht, zeigte sich die Bezirksvertretung kooperativ. Zwar sprach Tiefbauamtsleiter Helmut Schulz-Herrmann zunächst von 13 Bäumen, die gefällt werden müssten, doch Franz Schulz lenkte ein: „Mit ein bisschen Aufwand und Fantasie kann es gelingen, die Bäume zu retten.“ Auf jeden Fall werde weder eine Entscheidung noch ein Baum gefällt, bevor eine weitere Bürgeranhörung stattgefunden hat.

Die Anwohner der Simon-Dach-Straße haben direkt eine Arbeitsgruppe zu dem Thema gegründet. Schließlich wollen sie mitbestimmen, wie ihr Wohnzimmer morgen aussieht.