Helmut Höge über die schleichende Haschisch-Legalisierung: Ich lass den Dealer nicht hängen
Die taz würde es nicht mehr geben, wenn die ersten Mitarbeiter das staatliche Rauschgiftverbot eingehalten hätten. Ich erinnere nur daran, dass der erste Chefredakteur mit einem kinderkopfgroßen Haschisch-„Piece“ verabschiedet wurde und auf der Terrasse des taz-Hauses Cannabispflanzen gezogen wurden. Aber all das war vor der neoliberalen Wende. Damals haben viele zum Schreiben eines Textes gekifft, heute tue nur ich das noch gelegentlich. Die meisten kiffen gar nicht mehr (Rauchverbot!), und wenn, dann nur am Feierabend, um nach einem aufregenden Recherchetag „runterzukommen“ oder wenn sie nicht einschlafen können.
Der Slogan des Harvard-Professors Leary „Turn on, tune in, drop out“ gilt nicht mehr. Hasch dient heute der „Entstressung“. Während wir noch Psychopharmaka zur Delirierung nahmen, schlucken die Autisten im Sillicon Valley nun LSD-Mikrodosen zur Optimierung. Der Idiot Elon Musk will sogar das „desolate US-Gesundheitssystem mittels psychedelischer Drogen heilen“. Und das börsennotierte US-Unternehmen MindMed will dazu erreichen, dass LSD als Medikament zugelassen wird. Es lockt ein Milliardengeschäft.
Dahinter stecken saureiche Cannabis-Dealer, die sich mit der Droge – erst illegal und dann legal – „dumm und dämlich“ verdient haben und nun bereit sind, „unglaubliche Summen zu investieren“, wie die Spiegel-Reporterin Anuschka Roshani schreibt, die sich im vorigen Jahr eine Woche lang einen solipsistischen „LSD-Trip“ in der Uniklinik Basel leistete und darüber das Buch „Gleißen. Wie mich LSD fürs Leben kurierte“ veröffentlichte.
Einige der mit Haschisch reich gewordenen US-Dealer waren 2022 die Stars auf dem Berliner Cannabis-Kongress, der 700 Euro Eintritt kostete! Im Sommer findet hier ein „Medical Cannabis Congress“ statt. Und der Gesundheitsminister Lauterbach, der wie US-Präsident Clinton nur einmal einen Joint geraucht, aber nicht inhaliert hat, will nun die Cannabis-Legalisierung in die Wege leiten und hat dazu mit dem Landwirtschaftsminister Özdemir einige ganz tolle Ideen getwittert. Aber das geschieht alles bloß aus Gründen der Staatsfinanzen-Aufbesserung. Es ist mithin ein „Kiffen gegen Putin“-Plan. Da mache ich nicht mit, ich lasse meinen alten Dealer nicht hängen!
Politisch gedacht: Mit der Hasch-Legalisierung werden die Jungmänner gar nichts mehr auf die Reihe kriegen. Und LSD, Psilocybin etc. unter (ärztlicher) Aufsicht zu nehmen ist pervers. Ein Pharmalobbyist sagte: „Eine Gesellschaft, die meint, auf Psychopharmaka verzichten zu können, ist krank.“ Wir leben aber inzwischen in nachgesellschaftlichen Projektwelten, und legale Psychodrogen machen alles nur noch schlimmer. Wir müssen uns die letzten Oasen der Illegalität erhalten!
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