Die Wahrheit: Bunny und das Eierkratzen

Ostern ist ein wichtiges Fest. Aber was hat der gemeine Hase mit dem gesamten Vorgang zu tun? Eine letztgültige Erklärung für das Hoppelwesen.

Cartoon: Ein Mann, womöglich Jesus, kommt aus einem „Bunny Shop“ mit zwei Rieseneiern unterm Arm und Hasenohren auf dem Kopf. Gott schaut auf einer Wolke auf ihn herab.

Illustration: Ari Plikat

Gleich nach dem Winterschlussverkauf und Mariä Heimleuchtung ist Ostern die drittwichtigste Sause im christlichen Festkalender, noch vor Jesu Sommerfrische, Oktoberfest und Los Wochos de los Muertos. Doch gerät die tiefere religiöse Bedeutung der hasigen Feiertage immer mehr ins Hintertreffen. Kein Wunder. Kaum ein Pfaffe kann noch fehlerfrei die Septuaginta aufsagen, kaum ein Mesner dürfte in der Lage sein, ohne künstlichen Sauerstoff einen zünftigen Vierwochenpsalter zu überstehen, und sogar im Kindergottesdienst führt die Heilige Inquisition nur mehr ein Schattendasein.

Dabei ist theologisches Know-how auch im modernen Alltag unverzichtbar. Dass der Papst ein Kotzbecken ist und Pharisäer schön duhn machen, dürfte den meisten Laien noch bekannt sein, aber wie der Hase ins Zentrum des Ostergetümmels geraten konnte, ist sogar überzeugten Klerikalfaschisten eine Bibel mit sieben Siegeln.

Wäre ein Zombie als Maskottchen der Auferstehungsfeier nicht die sinnfälligere Wahl, eine zusätzliche Osterschicht für das Christkind nicht ökonomischer oder wenigstens ökumenischer? Und warum zum Teufel überbringt kein Otter die frohe Botschaft? Urbi und orbi lieben Otter, aber die Bibel erwähnt sie nicht einmal.

Aber auch über die Mümmelmänner schweigt sich das Alte Testament aus. Lapidar wird die göttliche Bastelei an „Vieh, Gewürm und Tieren des Feldes“ am sechsten Tag vermerkt, ohne explizit die Schöpfung der Hasenartigen zu würdigen. Im Dschungelbuch der Genesis steht die Schlange im grellen Rampenlicht, während Meister Lampe unerwähnt durch das Paradies hoppelt.

Erst im Kleingedruckten des dritten Buchs Mose hat er zusammen mit Kamel und Klippdachs seinen Auftritt, nur um rüde abgekanzelt zu werden. „Sie spalten die Klauen nicht. Darum sind sie unrein“, befindet der zoologisch unbedarfte Jahweh. Vom Verzehr der hauseigenen Produkte rät der wankelmütige Kreationist ab. Der Herr scheint überhaupt ein heikler Esser zu sein, an Hauptgerichten hat er von Schwein bis Schalentier allerhand auszusetzen.

Da erstaunt es umso mehr, dass der Schöpfer auf leicht verderbliche Eierspeisen ganz versessen scheint. Jedenfalls erteilt er neben der nachvollziehbaren Aufforderung, Blut aus dem Soufflee zu entfernen, dem Ei keine gastronomischen Auflagen. Damit ist der Weg ins Osterkörbchen frei. Kirchenlehrer Ephraim der Syrer halluziniert in der Spätantike eine passende Symbolik herbei. „Gleich einem Ei springt das Grab auf“, soll der heilige Asket in seiner Einsiedelei über den Zusammenhang von Jesu Grablege und Hasi Eilege schwadroniert haben.

Meister Lampe steht theologisch nicht im Scheinwerferlicht

Schwer dagegen fällt der Karnickelsprung ins fromme Festgewerbe: Auch im Neuen Testament steht der Hase nicht gerade im Scheinwerferlicht der Fundamentaltheologie. Zwar spannt Gottessohn und Nebenerwerbsdompteur Jesus von Kamel (geht durch ein Nadelöhr) bis Weißfisch (macht wunderbar satt) allerhand Getier vor seinen religiösen Karren, zum Hasen aber schweigt er. Kein einziges Rammelwunder findet sich in Evangelien und Apokryphen, kein Gleichnis vom Häschen in der Grube lädt zur Exegese ein. Jesu Apostel schwärmen in alle Welt aus, von Kleintierställen aber halten sie sich fern. Nur Paulus schreibt jeden Karnickelzüchterverein von Ephesus bis Thessaloniki an, aber kaum einer meldet sich zurück.

Nur mit potenter Beharrlichkeit schafft Meister Lampe den Quereinstieg ins christliche Brauchtum. Zuvor hatte der vierbeinige Reproduk­tionskünstler als Posterboy naturnaher Fun-Kulte gearbeitet und war damit bei der bevorzugten Zielgruppe christlicher Mission eingeführt. Venerablen Damen von Astarte bis Aphrodite war das Häslein als bezaubernder Assistent mit weißer Blume beigesellt worden, bis das Playboy-Patriarchat die Machtverhältnisse später umkehrte. Die spirituelle Präsenz des Mümmlers bleibt jedenfalls nicht unbemerkt, der Hase wechselt die Religion, bleibt aber Markenbotschafter der fleischlichen Minne.

Spätestens im fickrigen Mittelalter greift haltlose Hopplerbegeisterung um sich. Wenig bekannt ist, dass die Kreuzzüge ins Heilige Land im Bunny-Kostüm absolviert werden mussten, um in Rom vollständige Absolution zu erhalten. Noch weniger bekannt sind die Beschlüsse des Konzils von Haselünne 1216, bei dem sich das Langohr vor Delfin (zu prätentiös), Schnabeltier (noch nicht entdeckt) und Kellerassel (zu eklig) endgültig als österliches Maskottchen durchsetzt. Konkurrent Ochse, der dem Hasen den Platz an der Weihnachtskrippe abspenstig gemacht hatte, wird wie der Heilige Geist mit der Repräsentation des öden Pfingstfestes abgespeist.

Kurz entzweit sich das Abendland noch einmal, als Gegenpapst Clemens VII. in Avignon darauf besteht, dass der Hase zwar die Kinder, aber der Storch die Eier bringt. Küchenpapst Paschalis der Naschhafte lässt schließlich im Jahr 1517 erstmals ein unbotmäßiges Karnickel mit heißer Schokolade überziehen, bald darauf wird aus der brutalen Leibstrafe eine beliebte Süßigkeit. Damit ist der Siegeszug des modernen Osterhasen nicht mehr aufzuhalten: Der Nürnberger Meister Albrecht Dürer skizziert den betenden Schmunzelhasen, die noch heute gültige Gussform der christlichen Schokoladenindustrie von Köln bis Zürich.

Der freiheitliche Strahlenkranz des Mümmelmanns verblasst

Im Drei-Hasen-Fenster des Paderborner Doms kulminiert Karnickelverehrung und westfälische Sinnenfreude, doch kurz darauf entwickeln Moraltheologen das Konzept der Bausünde. Reumütig muss Paderborn konstatieren, dass es eine Katzenklappe auch getan hätte. Als Bußübung hat der Domstift außerdem wahrheitswidrig zu verbreiten, dass der pikante Hasendreier im Gesims die göttliche Dreifaltigkeit und nicht etwa ausgelassene Fickfreude symbolisiert.

Die spirituelle Libertinage geht dem Osterfest endgültig verloren, auch in der Kunstgeschichte verblasst der Strahlenkranz des Mümmelmanns. In Tizians Hasenmadonna gerät das weiße Kaninchen zur Staffage, in ­Lewis Carrolls Wunderland geht es in den Untergrund. Der Tiefpunkt ist erreicht, als Joseph Beuys versucht, einem toten Hasen Bilder zu erklären.

Im tristen Osterkörbchen der Gegenwart erinnert der mopsige Schokohase eher an Adipositas als an Trinitas, von der guten alten Todsünde Wollust gar nicht zu sprechen. Doch noch immer zeugen klandestine Osterbräuche von der unverwüstlichen Sinnlichkeit des hedonistischen Hasenfestes. Zu nennen ist vor allem das öffentliche Eierkratzen am Ostersonntag, das in abgelegenen Gegenden des Burgenlandes, aber vor allem in jeder U-Bahn zelebriert wird. Als Zeichen froher Ostern.

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