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Wenn man nicht nachlesen darf, was jetzt wieder los ist

Ein eisiger Wind bläst über den Bahnsteig, der sich noch so gar nicht nach Frühling anfühlt. Zumindest hier draußen im unbedachten Teil des Bahnhofs ist es saukalt. Wohl auch wegen des Windes steht der einzig sichtbare Mensch hier an Gleis 7 eng an einen Glaskasten voller Aushänge gepresst. Gedankenverloren lässt er seinen Blick schweifen über Fahrpläne, Wagenreihung, geplante Baustellen und so weiter …

Das Alter des Mannes ist schwer zu schätzen. Von fern macht er einen sportlichen Eindruck, aber die Klamotten sind abgewetzt und dreckig. Sein Gesicht hat diese sonderbar zeitlosen Züge, die man auf der Straße schnell bekommt. Sein Blick ist glasig und wirkt bedröhnt – seinen Schnorrbecher aus Plastik lässt er am Gürtel und fragt auch sonst nicht nach Geld. Er steht nur da und glotzt in den Kasten.

Bremen-Mitte 17.557 Ein­woh­ner*innen. Lässt man die Altstadt kurz beiseite, besteht Bremen-Mitte vor allem aus dem Bahnhof. Seit einigen Wochen gehen Polizei und Bahn-Sicherheit hier verschärft gegen Wohnungslose und Junkies vor. Alle vier sind mal mehr und mal weniger anstrengend.

Ein anderer Mann kommt ungelenk über die Gleise gestakst, rauchend und in einer Uniform, die nach Security aussieht. „Was suchst du hier?“, ruft er von Weitem und der andere nimmt sofort Reißaus. Alle beide: wie in Luft aufgelöst. Jetzt allein im Windschutz schaue ich nach, was der Junkie vor seiner Flucht gelesen hat: die Hausordnung. Jan-Paul Koopmann

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