Schuberts schwuler Seufzer

Franz Schubert geht am Mittwochabend sich an einer Stulle labend über Wiesen hin zum See und denkt nur: „Ojemine!“

„Für die Musike, die ich schreibe – und das nicht nur zum Zeitvertreibe –, fehlt mir die zündende Idee.“Schon wieder kommt’s: „Ojemine!“

Viel lieber noch als fromme Lieder schrieb Schubert nämlich über Mieder oder etwas fürs Varieté. Erneut seufzt er: „Ojemine!“

Er sieht sich sein Talent vergeuden, weil tristes Leid statt helle Freuden, statt Lust bei ihm nur Sehnsucht singt, auch wenn dann Geld im Beutel klingt.

„Kein Tingeltangel, keine Brunst – zu blöd, ich kann nur hohe Kunst.Ach, Scheiß auf Ehre und auf Gold!“ Vorbei ein Ball ins Wasser rollt.

Der große Bruder von Brünhilde die derweil heult wie eine Wilde, dem Ball stürzt hinterher zum See. Franz Schubert denkt: „Ojemine!“

Der junge Mann mit vollen Lippen und blonden Locken, die da wippen, will sich schon stürzen in die Wellen. Des Schuberts Brust beginnt zu schwellen.

Und ohne weitere Gedanken weist er den Knaben in die Schranken, rollt auf die Hose, setzt ab den Hut und watet durch der Wellen Flut.

Sein Kopf befiehlt ihm: „Franz, vergiss es!“ Doch dieser Mann hat was Gewisses, womit er Schuberts Herz erweicht, der ihm verschämt das Spielzeug reicht.

Zu später Stund am Himbeerstrauche, die Felder riechen leicht nach Jauche, der junge Mann sich noch bedankt – mit Zugabe. Herr Schubert schwankt.

So handfest war das nicht gedacht mit Musenküssen in der Nacht. Aus tiefstem Herz haucht Franz: „Oje!“ Da! Plötzlich kommt ihm die Idee:

Hier bei des Knaben leisem Stöhnen hört er in Noten und in Tönen, was seines Seufzers würdig ist. Schließlich ist er ja Komponist.

Und noch beim Küssen und Verführen beginnt des Schuberts Komponieren, worauf der Knab sich ihm entwindet und abgenervt im Haus verschwindet.

Das muss des Schuberts Schicksal sein: Ach, ganz allein irrt er im Hain. Doch wer nur trübe Lieder kann, der bleibt nun mal alleine, Mann!

Ilke S. Prick