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Das Wasser als Objekt der Kunst

Die Ausstellung „Vicious Cycle“ im Art Laboratory Berlin stellt künstlerische Forschungen zum Klimawandel vor

Von Tom Mustroph

Die Blaualgen werden brauner, die Waschmaschinenfilter rattern immer wieder, und die Temperaturdaten, die die Installation „souvenirs entomologiques“ aus internationalen Überwachungssystemen abruft, steigen. „Vicious Cycle“ im Art Laboratory Berlin ist eine Themenausstellung in Bewegung. Sie versammelt drei künstlerische Forschungsprojekte zum Klimawandel. Eines ist sehr lokal angelegt, mit dem Berliner Müggelsee als Fixpunkt, eines sehr global mit Satellitendaten zu Phänomenen in aller Welt. Und das dritte vereint lokale und globale Ereignisse.

Betritt man den kleinen Projektraum in der Prinzenallee im Weddinger Norden, sticht zunächst eine Installation aus Kabeln und waagerecht angeordneten Schalen ins Auge. In den Schalen sieht man kleine Mengen an Wasser. Das Wasser ist grünlich-braun gefärbt. Es enthält Blaualgen, wie sie sich auch immer mehr im Müggelsee ausbreiten.

Die spezielle Blaualgenart, die die Künstlerin Cammack Lindsey von Berliner Gewässerforschern erhielt, produziert das Nervengift Microcystin. Es führt zu Reizungen und Entzündungen bei Menschen und bei Hunden gelegentlich zu Todesfällen. Die nicht ganz ungefährlichen Organismen schwappen jetzt in kleinen Wasserlachen im Ausstellungsraum. Im Laufe der Ausstellung haben sie sich von Grün in Richtung Braun verfärbt. Ob das ein Zyklus von Leben oder eher von Vergehen ist, bleibt unklar.

Zur Installation gehört ebenfalls eine Audiospur, in der Lindsey dem Zusammenhang zwischen Wasserverschmutzung, Industrie und Landwirtschaft sowie der Festsetzung von Wasserpreisen nachgeht. Zugleich legt sie eine Assoziationslinie zum Filmklassiker „Kuhle Wampe“ von Slatan Dudow und Bertolt Brecht. Darin ging es um proletarische Naherholung am Müggelsee vor etwa 100 Jahren, aber auch um die Frage, wem was gehört und was dies für Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.

Mit Wasser beschäftigt sich auch Sybille Neumeyer. Ihre Installation besteht aus blauen geometrischen Objekten, die wie kleine Wasserpyramiden wirken, und einer leuchtend blauen Projektionsfläche. Hier führt sie Daten aus Temperaturmessungen von Gewässern mit vielen anderen Daten aus den Satellitenprogrammen der Weltraumagenturen Nasa und ESA zusammen. Einige der Daten werden in ein Programm eingespeist, das die Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf die Anatomie von bestimmten Insektenarten projiziert. Klimawandel ist hier körperlich ablesbar.

Neumeyers installativer Essay wirbt zugleich für die Anerkennung lokalen Wissens über Fauna und Flora, wie es sich in indigenen Gemeinschaften erhalten hat. Dabei geht es um dessen Übernahme auch in wissenschaftliche Zusammenhänge.

Gülsah Mursaloglus Installation „Devouring the Earth, in Perishable Quantities“ schließlich beschäftigt sich mit der Verbreitung von Mikroplastik in Gewässern. Kleine Plastikteile, die aus dem Marmarameer vor Istanbul stammen, platziert sie gemeinsam mit künstlich hergestelltem Mikroplastik – etwa für Teppiche, Planen und andere Gewebe – in Filtern von Waschmaschinen. Die sind auf einer quadratischen Plattform angeordnet, die alle paar Minuten in ein Rütteln gebracht wird, wie man es von alten Schleudern kennt.

Alle drei Installationen – so unterschiedlich sie selbst auch sind – stellen Weckrufe dar, das eigene Verhältnis zur Umwelt kritisch in Frage zu stellen. Das Art Laboratory Berlin stellt sich seit einigen Jahren schon der Herausforderung, komplexe Themen mit einer Kombination aus wissenschaftlichen und ästhetischen Methoden anzugehen. Die Arbeiten bei „Vicious Cycle“ erweisen sich als leicht zugänglich und zudem von ästhetischem Reiz, was in diesem Subgenre der Kunst nicht immer der Fall ist.

Bis 30. April, Art Laboratory Berlin, Prinzenallee 34

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