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: „Die Fotos sind die Bilder, die Menschen auf ihrer Flucht gesehen haben“

Der Fotograf Jean-Michel André dokumentiert in seiner Ausstellung „Borders“ auf künstlerische Weise die Fluchtrouten Geflüchteter

Interview Stina Reichardt

taz: Monsieur André, womit beschäftigen Sie sich hauptsächlich in Ihrer Arbeit?

Jean-Michel André: Meine Arbeit ist eine Mischung aus Dokumentation und Kunst. Dabei vertrete ich immer eine politische, aber auch poetische Weltanschauung. In den letzten Jahren hat sich vor allem das Thema Zirkulationen/Verkehr, wirtschaftlich und menschlich, und damit natürlich auch der Migration als roter Faden durch meine Arbeit gezogen.

Was ist das Thema der nun zu Ende gehenden Ausstellung?

Der Titel der Ausstellung ist „Borders“, also Grenzen. Ich meine damit die Grenzen, die wir in unserem Kopf haben, aber auch die Grenzen zwischen Ländern und Landschaften. Es gibt auch Grenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen, die ich mit eingearbeitet habe. Dabei geht es auch um die Frage des Umgangs mit Geflüchteten.

Wie zeigen Sie das in der Ausstellung?

Foto: Jean-Michel André

Jean-Michel André46, Fotograf und Autor, erkundet mit seinen Serien die politisch-poetischen Implikationen des Raums (territoire).

Die Sammlung in der Ausstellung zeigt Fotografien von Menschen und Landschaften. Dabei habe ich mit dem Autor Wilfried N’Sondé zusammengearbeitet. Er hat Texte zu meinen Fotografien für die Ausstellung geschrieben. Die Fotos sind dabei aber keine Karte oder ein einfaches Abbild der Landschaft. Sie sind die Bilder, die Menschen auf ihrer Flucht gesehen haben. Praktisch wie ein Spiegel oder eine Erzählung. Es ist sehr persönlich und bildlich.

Warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Es gehört zu meiner vorherigen Arbeit. Es ist eine Antwort auf die Empörung über die vielen Menschen, die bei ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind. Ich war eine Zeit lang im sogenannten Dschungel von Calais, einem Lager von Geflüchteten, welches allerdings vor ein paar Jahren aufgelöst wurde. Dieses Fotoprojekt hat in dem Lager angefangen. Die Bilder wurden in verschiedenen Ländern aufgenommen, unter anderem in Spanien und Italien, um die Fluchtroute der Menschen zu dokumentieren.

Warum haben Sie Texte von Monsieur N’Sondé zu Ihren Fotos schreiben lassen?

Finissage der Ausstellung „Borders“: 14. März, 19 Uhr, im Institut Français Bremen, Eintritt frei

Wir kennen uns schon recht lange, deshalb war die Zusammenarbeit natürlich. Ich habe das Projekt, das jetzt in der Ausstellung zu sehen ist, 2016 begonnen. Den ersten Teil davon habe ich in der Französischen Nationalbibliothek ausgestellt. Über die Ausstellung sind wir in Kontakt gekommen. Wir haben fortlaufend Fotos und Texte ausgetauscht und darüber den zweiten Teil des Projektes entwickelt. Uns war schon sehr früh klar, dass wir ein Buch aus diesem Projekt machen wollen. Unsere Absicht war, wirklich etwas daraus zu entwickeln. Deshalb war dieser Austausch besonders wichtig.Das Buch wurde dann im Verlag Actes Sud veröffentlicht und wir konnten es auf dem größten europäischen Fotografie-Festival Les Rencontres de la photographie in Arles vorstellen.

Was können wir von der Finissage der Ausstellung erwarten?

Die Ausstellung war schon in Essen und Bonn und zieht danach nach Düsseldorf. Aber ich freue mich darauf, die Bremer und Bremerinnen und vor allem die Mitarbeitenden des Institut Français hier in Bremen kennenzulernen. Die habe ich nämlich noch nicht getroffen. Bei der Finissage werden Wilfried N’Sondé und ich anwesend sein und unser Projekt gemeinsam vorstellen. Es gibt auch die Möglichkeit, Fragen an uns zu stellen. Ich freue mich auf den Austausch.