Immer mehr Streit um Guantánamo

Auch im US-Kongress wird inzwischen über den adäquaten Umgang mit den Gefangenen des „Kriegs gegen den Terror“ diskutiert. Der Druck auf die US-Regierung, über Guantánamo neu nachzudenken, steigt. Der Ausgang ist offen

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Im zunehmenden innenpolitischen Streit um das Gefangenenlager Guantánamo zeichnet sich mittlerweile ein deutlicher Riss innerhalb der US-Regierung ab.

Nachdem Präsident Bush andeutete, dass eine Schließung des Lagers möglich sei, stieß nun Justizminister Alberto Gonzales auf einer Europareise mit versöhnlichen Tönen in die gleiche Kerbe. „Wir denken darüber nach, ob dies der richtige Weg ist, mit Taliban- und Al-Qaida-Kämpfern umzugehen. Wir verstehen die Bedenken unserer Partner und wollen ihnen zuhören.“ Vize Dick Cheney hingegen verteidigte Guantánamo die letzten Tage vehement, und Pentagonchef Donald Rumsfeld meinte, es werde aufgrund mangelnder Alternativen noch für viele Jahre gebraucht.

Doch immer mehr Parteifreunde Bushs im Kongress stimmen in den Chor der Kritiker aus der Opposition ein. Erstmals konnten Regierungsvertreter zu einer Anhörung vor den Justizausschuss im Senat geladen werden. Sie verteidigten ihre Auffassung, dass die als „gesetzlose Kämpfer“ deklarierten mutmaßlichen Terroristen unbegrenzt interniert werden können, solange die USA sich im Krieg befinden, und die existierende Rechtsordnung für diese Art von Krieg unzulänglich sei.

Das Bush-Team argumentiert, der so genannte Krieg gegen den Terror sei juristisches Neuland und daher sowohl von herkömmlichen nationalen Gesetzen als auch vom Völkerrecht nicht abgedeckt. Alan Specter, republikanischer Vorsitzender des Justizausschusses moniert, die Regierung hätte daher schwammige und lückenhafte Ersatzregeln geschaffen. Rechtsexperten wie Stephen Schulhofer von der New York University glauben, globaler Terror stelle zwar eine neue Herausforderung dar, doch im Hinblick auf Gefangenschaft, Verhöre und Prozesse versage das vorhandene Rechtsgefüge nicht.

Diese Haltung vertreten auch die obersten Verfassungshüter. Sie urteilten im Juni 2004, dass die Häftlinge in Guantánamo anwaltlichen Beistand erhalten und vor US-Gerichten gegen ihre Gefangenschaft klagen können. Die US-Regierung beeilt sich jedoch nicht, den Richterspruch umzusetzen.

Die Intervention des Kongresses erhöht den Druck auf die Regierung. Ob sie aber zu einem Kurswechsel in der Gefangenenpolitik führt, bleibt völlig offen.