Vollzeit in vier Tagen

Der Hintergrund

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland, Vollzeit und Teilzeit zusammengerechnet, betrug im Jahr 2021 34,7 Stunden, weniger als in den meisten anderen europäischen Ländern. In Deutschland ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in den letzten 30 Jahren um mehr als drei Stunden gesunken, das liegt allerdings hauptsächlich daran, dass der Anteil von Teilzeitbeschäftigten in dieser Zeit stark gestiegen ist. An den wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hat sich wenig geändert, sie arbeiten heute im Schnitt 40,5 Stunden und damit nur eine Stunde weniger als 1991. Gleichzeitig werden flexible Arbeitsmodelle immer beliebter, mit denen eine Vollzeitstelle anders aussehen kann als das klassische 9-to-5.

Das Modell

40 Stunden in vier statt fünf Tagen arbeiten: In Belgien gibt es darauf seit November 2022 einen rechtlichen Anspruch. Auch in Deutschland gibt es bereits einige Betriebe, die eine solche Regelung praktizieren. Ein 10-Stunden-Tag klingt wenig utopisch, doch auch in Deutschland hat das belgische Modell Fans: In einer Forsa-Umfrage aus dem letzten Jahr sagten 71 Prozent der Befragten, Deutschland solle dieses Modell übernehmen. Besonders hoch war die Zustimmung bei den 30- bis 44-Jährigen.

Wahrscheinlichkeit ●●●●○

Wird bereits umgesetzt.

Klimaschutz●●○○○Immerhin, zwei Arbeitswege fallen weg.

Freizeit ●○○○○ An der Wochenarbeitszeit ändert sich nichts.

Die 4-Tage-Woche

Der Hintergrund

Die Pandemie hat Arbeitsbedingungen verändert, der demografische Wandel ermöglicht jungen Ar­beit­neh­me­r*in­nen ganz andere Job-Perspektiven. Das macht das Modell „Vollzeit in 30 Stunden“ immer attraktiver, auch für Arbeitgeber. Die Rechnung dahinter: zufriedenere Mit­ar­bei­te­r*in­nen werden seltener krank und kündigen nicht so schnell, außerdem arbeiten motivierte Menschen effektiver.

Das Modell

Hier wird nur noch an vier statt fünf Tagen gearbeitet, aber weiterhin nur 8 Stunden am Tag. Und bei vollem Lohn. Modellprojekte gab es dazu bereits in mehreren Ländern, auch einzelne deutsche Firmen praktizieren das bereits. Gerade wurde die Auswertung eines groß angelegten Experiments in Großbritannien veröffentlicht, an dem sich 61 Unternehmen beteiligt haben – insgesamt etwa 3.000 Beschäftigte bei Restaurants, Pflegediensten, Software-Herstellern oder Autozulieferern. Das Ergebnis: In den meisten Unternehmen ist die Produktivität sogar gestiegen, vier von zehn Mit­ar­bei­te­r*in­nen waren gleichzeitig weniger gestresst. Das war wohl auch ein Grund dafür, dass die Zahl der Krankschreibungen massiv sank, sie ging um 65 Prozent zurück. Auch die Kündigungsrate fiel mit 57 Prozent extrem. Firmen in Deutschland berichten ebenso über Gewinnsteigerungen nach Testphasen. Aber sind die Ar­beit­neh­me­r*in­nen möglicherweise besonders motiviert, weil solche Bedingungen eben nicht die Regel sind, sondern die positive Ausnahme? Das wird sich erst zeigen, wenn sich das Modell durchsetzen sollte.

Wahrscheinlichkeit ●●●○○

Deutschland hinkt hinterher, aber der Trend ist klar.

Klimaschutz ●●○○○ Auch hier fallen Wege weg.

Freizeit ●●●○○ Hallo 3-Tage-Wochenende.

Der 4-Stunden-Tag

Der Hintergrund

In den Gewerkschaften spielt das Thema Arbeitszeitverkürzung heute eine eher untergeordnete Rolle, der Kampf für gute Arbeit ist wichtiger als der für weniger Arbeit. Impulse für radikale Arbeitszeitverkürzung, für ein verändertes Verhältnis zur Arbeit insgesamt kommen von anderer Stelle: Aus der in den 2010er-Jahren gewachsenen Post-Work- oder Anti-Work-Bewegung etwa, einer linken Strömung, die mit der Arbeitsgesellschaft brechen will. Zu dieser Perspektive gehört auch, den Blick darauf zu lenken, wie Arbeit in unsere Freizeit eindringt, etwa wenn wir durch unsere Aktivität in sozialen Netzwerken daran mitwirken, die Algorithmen der Digitalkonzerne zu trainieren. Die Post-Work-Bewegung setzt der Allgegenwärtigkeit von Arbeit die Utopie einer Gesellschaft ohne Lohnarbeit entgegen und geht davon aus, dass technischer Fortschritt diese Utopie immer realistischer macht.

Das Modell

In Deutschland hat sich 2016 mit der 4-Stunden-Liga eine linke Initiative gegründet, die die Debatte um Arbeitszeitverkürzung mit einem radikalen Vorschlag befeuern will: Vier statt acht Stunden Arbeit am Tag bei vollem Lohnausgleich. Die 4-Stunden-Liga hat Ortsgruppen in verschiedenen Städten, die Veranstaltungen und Kundgebungen organisieren. Historisches Vorbild sind die Eight-Hour-Leagues, Zusammenschlüsse von Arbeiter:innen, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA und in Großbritannien für die Einführung des Achtstundentags kämpften.

Wahrscheinlichkeit ●●○○○

Bisher vor allem eine Idee.

Klimaschutz ●●●●○Wenn die Freizeit ressourcenschonend verbracht wird.Freizeit ●●●●○ 20-Stunden-Woche für alle.

Die 9-Stunden-Woche

Der Hintergrund

Arbeit bedeutet Emissionen, auf drei Ebenen: Diese werden bei der Arbeit selbst freigesetzt, auf dem Arbeitsweg und durch Konsum, den wir uns nur durch die Arbeit leisten können. Aus rein ökologischer Perspektive hätte ein Modell, bei dem ohne Lohnausgleich weniger gearbeitet wird, die größten Effekte: Wer weniger verdient, kann nicht so viel konsumieren. Aus sozialer Perspektive hat ein solcher Ansatz aber Grenzen. Den Klimawandel aufzuhalten, indem Menschen so arm wie möglich gemacht werden, damit sie weniger emittieren, ist wohl kaum eine erstrebenswerte Perspektive. Deswegen geht es auch um einen gesellschaftlichen Wandel: Kann mehr Freizeit uns bei einem weniger klimaschädlichen Lebensstil helfen, etwa, weil wir dann Zeit haben, um Dinge zu reparieren, statt sie neu zu kaufen? Socken zu stopfen und Gemüse im eigenen Garten anzubauen?

Das Modell

Der Arbeitsforscher Philipp Frey hat 2019 im Auftrag des britischen Thinktanks Autonomy untersucht, wie viel Arbeitsstunden ökologisch nachhaltig wären. Die Rechnung funktioniert folgendermaßen: Mit der Wirtschaftsleistung und den Treibhausgasemissionen eines Landes lässt sich berechnen, wie viel Treibhausgase pro geleistete Arbeitsstunde emittiert werden. Ausgehend vom jeweiligen CO2-Budget eines Landes berechnete Frey dann, wie viel Arbeitsstunden pro Woche geleistet werden dürften, um dieses Budget einzuhalten. Für Deutschland kommt die Studie auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von neun Stunden pro Woche. Frey versteht das als Debattenanstoß.

Wahrscheinlichkeit ●○○○○

Ein Gedankenexperiment.

Klimaschutz ●●●●●

Genau darum geht es hier.

Freizeit ●●●●● Neun Stunden Arbeit klingen machbar.