Ohne Welpenschutz an den grünen Tisch

MISSION Amtsnachfolger Peter Altmaier muss schleunigst die Energiewende fortsetzen, sagen Umweltverbände. Termine stehen an

BERLIN taz | Hundert Tage Schonzeit werden einem neuen Minister normalerweise zugestanden. Doch darauf kann Peter Altmaier nicht hoffen. Nach der Entlassung seines Vorgängers Norbert Röttgen bleiben ihm nur wenige Tage bis zu den ersten wichtigen Terminen.

Vor allem die Energiewende hakt, von Kanzlerin Angela Merkel zu einem der Schwerpunkte der Regierung erklärt. Die Kürzung der Vergütung von Solarstrom, die den Ausbau und die Kosten begrenzen soll, ist im Bundesrat mit breiter Mehrheit, auch aus unionsregierten Ländern, gestoppt worden. Um die investitionshemmende Ungewissheit über die künftige Regelung zu beenden, muss ein Kompromiss im Vermittlungsausschuss gefunden werden. Die CSU versucht sich bereits energiepolitisch zu profilieren: Sie fordert ein Energieministerium und kündigt einen eigenen Entwurf zur Förderung erneuerbarer Energien an.

Ebenfalls im Bundesrat blockiert ist ein Gesetz, das die energetische Sanierung von Wohngebäuden attraktiver machen soll, indem die Kosten teilweise von der Steuer abgesetzt werden dürfen. Zudem gibt es Verzögerungen beim Bau neuer Stromleitungen, einer für die Energiewende zentralen Aufgabe.

Ein weiteres Projekt, das Norbert Röttgen begonnen hat, ist die Suche nach einem Atommüllendlager, das im parteiübergreifenden Konsens gefunden werden soll. Bei mehreren Spitzentreffen hatten sich Vertreter von Bund und Ländern bereits weit angenährt, man wollte sich bei einem weiteren Treffen noch vor der Sommerpause auf einen Gesetzesentwurf einigen. Es ist zweifelhaft, dass dies noch zu schaffen ist.

Auch auf internationaler Ebene drängen wichtige Entscheidungen: So streiten die EU-Umweltminister derzeit intensiv über die Verschärfung des Klimaziels von 20 auf 30 Prozent CO2-Reduzierung bis 2020. Während Deutschland dies Ziel bisher unterstützt, blockiert vor allem Polen. Am kommenden Montag wollte Röttgen beim deutsch-polnischen Umweltrat darüber weiter verhandeln.

Mitte Juni steht die UN-Konferenz zur Feier des ersten UN-Umweltgipfels von 20 Jahren in Rio de Janeiro an. Dort soll über ein Konzept für weltweites „grünes Wachstum“ und über die mögliche Aufwertung des UN-Umweltprogramms zu einer eigenen Organisation diskutiert werden. Während viele Länder durch Staats- und Regierungschefs vertreten sein werden, wollte Merkel bisher nur ihren Umweltminister entsenden. Altmaier hätte also die Chance, sehr schnell einen Crashkurs in den Schwierigkeiten internationaler Umweltverhandlungen zu erhalten.

Umweltorganisationen und Verbände stellten Röttgen zumindest kein schlechtes Zeugnis aus. Der Bundesverband Erneuerbare Energien kritisiert zwar, dass etwa im Wärmesektor wichtige Gesetze nicht auf den Weg gebracht sind, allerdings habe Röttgen die Energiewende vorangetrieben. „Röttgens Entlassung kommt zur Unzeit“, teilte Germanwatch mit und fordert, die Kanzlerin höchstselbst möge die Energiewende vorantreiben.

MALTE KREUTZFELD, INGO ARZT