editorial

Berlin wählt. Schon wieder. Die vergangene Wahl war ungültig. Niemand wundert sich darüber. Berlin gilt als kaputt. Geht überhaupt was in der Stadt? Die rot-grün-rote Regierung unter der Sozialdemokratin Franziska Giffey muss sich nun früh ein Zeugnis abholen. Richtig gut wird es nicht ausfallen, auch wenn es wieder zu einer Mehrheit reichen mag. Umfragen sehen die CDU als stärkste Kraft. Deren Spitzenkandidat heißt mit Vornamen Kai. Ob man sich den Nachnamen Wegner wird einprägen müssen, hängt vom Wahlergebnis ab.

Es hat der CDU jedenfalls nicht geschadet, dass sie im Abgeordnetenhaus die Vornamen der an den sogenannten Silvesterkrawallen beteiligten Randalierer abgefragt hat. Seit dem Jahreswechsel ist die Sonnenallee im Bezirk Neukölln in aller Munde. Für die einen ist sie Ausdruck einer virilen Großstadt, andere haben Angst, wenn sie nur an den vielen arabischen Läden vorbeigehen. Wer die oft arg aufgeregte Debatte um Clans und Paschas verfolgt, muss glauben, an der Sonnenallee entscheide sich das Wohl und Wehe aller Integrationsbemühungen.

Und sonst? Die Straße hat noch mehr Berlin zu bieten. Sie beginnt am Hermannplatz, wo ein gigantisches Kaufhausprojekt geplant wird. Das Gentrifizierungsgespenst geht um. Und sie endet da, wo früher Ostberlin war. Auch so ein Integrationsthema. Dazwischen gibt es ein arg spießig wirkendes Gartenstadtidyll und Reste riesiger Kleingartenanlagen. Die Autobahn A 100, deren Verlängerung mitten durch die Stadt tatsächlich ernsthaft diskutiert wird, kreuzt die Sonnenallee. Bald werden die ersten Autos von der nagelneuen Stadtautobahn nach Neukölln gespült werden. Wer noch nie da war, wird staunen. Also: Schaut auf diese Straße! Andreas Rüttenauer