Mobbing in drei Akten

Seit März steht der Kriminalbeamte Thomas Wüppesahl vor dem Hamburger Schwurgericht. Laut Anklage soll er einen Raubmord vorbereitet haben. Er sagt, er wollte eine Intrige der Polizei entlarven

Wüppesahl verband mit dem Lockspitzel eine langjährige Freundschaft

Von Elke Spanner

Der Ex-Bundestagsabgeordnete und Kriminalbeamte Thomas Wüppesahl hat sich schon immer gerne inszeniert. In unzähligen Akten hat er in der Vergangenheit ein Lehrstück über Mobbing aufgeführt, Hauptrolle: Thomas Wüppesahl, Nebenrollen: Kollegen und politische Weggefährten. Mobbing, weil er nicht zum Kommissar befördert wurde. Mobbing, als ihn die Grüne Bundestagsfraktion 1988 aus den eigenen Reihen ausschloss. Nach dem beruflichen und politischen Umfeld sind nun offenbar die persönlichen Freunde an der Reihe, auf die Bühne gestellt zu werden.

Denn auch die Planung eines brutalen Verbrechens sei nur eine Inszenierung gewesen, behauptete Wüppesahl nun vor dem Hamburger Schwurgericht. Dort wird ihm seit Anfang März der Prozess gemacht, Vorwurf: Vorbereitung eines Raubmordes und Verstoß gegen das Waffengesetz. Er habe indes nicht, wie die Anklage ihm vorwirft, einen Geldtransporter ausrauben, sondern seinen engen Freund und vermeintlichen Komplizen als V-Mann der Polizei enttarnen wollen: „Ich wollte gesellschaftliche Verbesserungen im Volkssport Mobbing erreichen“, beteuerte Wüppesahl am Donnerstag in seiner ersten Aussage zum Tatvorwurf.

Die Anklage sieht alles in einem anderen Licht. Der Hamburger Staatsanwaltschaft zufolge wollte Wüppesahl vorigen Herbst zusammen mit seinem Freund Andreas Sch. in Berlin einen Geldtransporter überfallen, den Geldboten per Genickschuss töten und ihm mit einem Fleischerbeil den Arm abhacken, um an die Beute zu kommen. Die Ermittler haben Mitschnitte von Gesprächen zwischen den vermeintlichen Komplizen, in denen Wüppesahl Details beschreibt. „Ich muss ganz nah ran, um in den Hinterkopf schießen zu können“, heißt es dort. „Da ist meine Lockerheit gefragt“. Tatmotiv laut Anklage: Wüppesahl hatte Verbindlichkeiten in Höhe von rund 110.000 Euro und brauchte Geld.

Tatsächlich ist der vermeintliche Komplize im Auftrag von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Wüppesahls brutalen Plan eingestiegen. Nachdem der Kripomann den Freund vorigen Oktober in seine Idee eingeweiht hatte, hat Andreas Sch. Pistole und Hackebeil besorgt – und hätte er nicht den Lockspitzel gespielt, säße Wüppesahl jetzt nicht auf der Anklagebank. Denn sich eine Straftat auszudenken, stellt selbst noch keine dar. „Die Staatsanwaltschaft will meine bürgerliche Existenz vernichten“, sagt Wüppesahl dazu. „Ich soll als politische Person ausgeschaltet werden“.

Andreas Sch. ist ein langjähriger Freund von Wüppesahl. In der Freundschaft der beiden Männer aber gab es ein Machtgefälle. Stets war es Wüppesahl, der den Ton angab. Er gründete die „Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten“ mit, zu der Andreas Sch. dann auch hinzu stieß. Er gewann das Bundestagsmandat, für das auch Andreas Sch. Wahlkampf machte. Andreas Sch. habe ihm „zugearbeitet“, wenn sie zusammen im Casino waren, formuliert es Wüppesahl, und er habe ihm im Gegenzug eine Provision von 50 Euro pro Spieleabend gezahlt. Andreas Sch. sagt, er habe diese Freundschaft durch die Kooperation mit der Polizei geopfert, um „ein schlimmes Verbrechen zu verhindern“. Denn „ich wusste“, beteuerte er vor Gericht, „Thomas Wüppesahl meint es ernst“.

Deshalb sei er zur Polizei gegangen, nachdem der Freund ihm vorigen Herbst seinen Tatplan unterbreitet hat. Wüppesahl aber beschuldigt Andreas Sch. nun, schon viel länger als V-Mann im Dienste der Polizei gestanden zu haben: Seit 2002, behauptete er, „stand für mich fest, dass Andreas Sch. für die andere Seite, gegen mich arbeitete“. Schon immer habe er befürchtet, dass ihm aus seinem persönlichen Umfeld ein V-Mann „untergeschoben wird“. Diese Erwartung habe sich „in der Person Andreas Sch. realisiert“.

Wüppesahl bezeichnet sich als „Opfer einer modernen Hexenjagd des 21. Jahrhunderts“. Um das „widerwärtige Mobbing“ der Ermittler zu entlarven, habe er sich entschieden, diesen „einen Köder hinzuwerfen“. Angeblich wollte er Andreas Sch. als Mittäter für einen Raubmord anwerben, sich von ihm die Tatwaffe besorgen lassen und diese dann triumphierend der Presse zeigen. Den Plan habe er absichtlich verrückt und unglaubwürdig entworfen. Einerseits sollte er genügend Anhaltspunkte bieten, um die Polizei nach dem „Köder“ schnappen zu lassen. Andererseits sollte er angeblich durch einen unrealistischen Plan der Gefahr entgehen, über die Schwelle der Strafbarkeit zu gleiten. Er sei sich stets sicher gewesen, sagte Wüppesahl, sich „nicht im strafrechtlichen Bereich zu bewegen“. Bei der Übergabe der Tatwaffe in der Hamburger Wohnung des Kronzeugen wurde der 49-Jährige verhaftet.

Seit Oktober sitzt Wüppesahl in Hamburg in Untersuchungshaft. Glaubt das Gericht ihm nicht, drohen ihm bis zu 15 Jahren Haft. Auch dass Polizei und Staatsanwaltschaft selbst ihre Finger im Spiel hatten, nimmt nicht die Schuld von einem Angeklagten, es mindert sie nur. Der Bundesgerichtshof hat in anderen Fällen entschieden, dass die Strafe bei einer Verführung durch Lockspitzel drastisch gesenkt werden muss.