KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Neues Geschlecht auf Antrag

Argentinien ermöglicht die Änderung im Pass ohne den Zwang zu vorherigen Operationen und Psychogutachten

Gerade war ich auf einer Konferenz über die Rechte von Trans*Menschen in der schwedischen Stadt Linköping, als ich von dem neuen, weltweit einmaligen Geschlechtsidentitätsgesetz Argentiniens hörte. Die Freude unter den versammelten Aktivist_innen/Akademiker_innen – die Grenzen sind hier fließend – war groß: Dort kann jetzt jede Person ihr Geschlecht im Pass und in anderen offiziellen Dokumenten ändern lassen. Und zwar einfach auf eigenen Antrag, ganz ohne den Zwang zu Operationen sowie psychischen und physischen Diagnosen. Das Gesetz ermöglicht auch eine medizinische Geschlechtsangleichung ohne Vorbedingungen.

In anderen Ländern werden für eine Geschlechtsänderung – wenn sie überhaupt möglich ist – umfassende Gutachten und eine Operation vorausgesetzt, die zu Fortpflanzungsunfähigkeit führt. So war es auch in Deutschland bis zum Januar letzten Jahres. Da erklärte das Bundesverfassungsgericht die Zwangssterilisation zu einem Verstoß gegen das Grundgesetz. Geblieben ist die Bedingung, zwei psychologische Gutachten vorzulegen. Sehr viel komplizierter sieht es hingegen bei der Kostenübernahme geschlechtsangleichender Maßnahmen aus. Dafür sind nicht nur eine Reihe von Untersuchungen und Begutachtungen nötig, sondern auch zwölf Monate psychologische/psychiatrische Behandlung für die Hormontherapie und 18 Monate für die Operation.

Von meinem ersten Termin beim Arzt bis zur Operation im Krankenhaus habe ich oft nicht mehr unterscheiden können, worunter ich eigentlich mehr leide: meiner Transsexualität oder dem ganzen Regelwerk und seinen eifrigen Vollstrecker_innen. Die persönliche Integrität wird dabei nicht nur missachtet, sondern grundsätzlich in Frage gestellt. Der_dem Betroffenen wird unterstellt, sie_er wisse nicht, was wirklich gut für sie_ihn sei und was sie_er eigentlich wolle. Dabei ist es doch geradezu grotesk zu glauben, man könne so verhindern, dass Leute ihre Entscheidung bereuen könnten. Ausgesiebt werden nur diejenigen, die nicht die Kraft haben, die vielen Steine aus ihrem Weg zu räumen.

Wer in der Schule gelernt hat, was und wie man etwas zu sagen hat, damit man eine gute Note bekommt, die_den können solche Hürden nicht aufhalten, auch oder gerade nicht im Wahn. Problematisch ist auch die unterschiedliche Situation zwischen Stadt und Land. In Großstädten ist es möglich, aus einer Vielzahl von Ärzt_innen und Psycholog_innen genau jene herauszupicken, die trans*freundlich sind. Je ländlicher es jedoch wird, desto größer die Gefahr, an Leute zu geraten, die nicht helfen, sondern zusätzliche Hürden aufstellen. Was bei mir in Berlin vom Erstgespräch bis zur OP eineinhalb Jahre brauchte, kann dann leicht ein paar Jahre länger dauern.

Zum Glück gibt es jetzt das Gesetz in Argentinien. Damit können Aktivist_innen den Politiker_innen ordentlich Dampf machen. Doch auch in Argentinien ist noch nicht alles optimal, denn es gibt nur zwei Optionen zur Auswahl: Frau oder Mann – als ob das alles wäre.

■  Die Autorin studiert Geschichte in Uppsala Foto: privat