berliner szenen
: Der Boden­lotse in der Turnhalle

Kurz vor sieben trugen wir Tische aus dem Schulhof in den zweiten Stock einer Turnhalle. Oben wischten wir Wasser und Taubenkot ab. Dabei entstand ein Gemeinschaftsgefühl, das uns durch den Tag trug. Ein Gefühl, das zu einem Trotz anschwoll, gegen den republikweiten Spott, Berlin könne weder Flughafen, noch Wahlen oder Silvester und schon gar kein anständiges Crafts Beer.

Ich muss gestehen, ich schimpfe auch bisweilen über Berlin. Ausgerechnet als Wahlhelfender vor dem Wahlvorsteher rutschte mir etwas Unbedachtes heraus in diesen Gesprächen, einer neben der Urne, der andere mit dem Wählerverzeichnis oder der Zählliste, Unterhaltungen, die immer wieder jäh unterbrochen werden durch die Ankunft eines Wählenden. Ich sagte, Berliner seien ja auch nicht immer die Freundlichsten … Dann stand ein Wähler vor mir mit einem Pass in einem nicht lateinischen Alphabet. Im Versuch, den Namen zu entziffern, vergaß ich mein Argument.

Die Stunden in der zum Wahllokal umfunktionierten Turnhalle schnurrten nur so dahin. Eine Hilfskraft schwang wie ein Bodenlotse auf dem Rollfeld seine Arme, um die Wählenden zu den freien Kabinen zu bugsieren. Am Ende durften wir in die Wahlniederschrift eintragen: „0 Wartende“. Und „Keine besonderen Ereignisse“ ankreuzen.

Wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob wir das vielleicht nicht doch unter Besonderheiten notieren sollten. So wie ich immer aufatme, wenn ich mit der Bahn irgendwo pünktlich aufschlage. Vor dem Wahllokal standen wir zusammen wie eine eingeschworene Gemeinschaft. Bedankten uns gegenseitig. Schmunzelnd verabschiedete mich der Wahlleiter mit den Worten: „So unfreundlich sind die Leute in Berlin dann doch nicht.“ Timo Berger