berliner szenen Steine kotzen

Dorota Maslowska liest

Sie kommt aus den fernen Neunzigern, mit orange gefärbten Haaren, grüner Militärjacke und roten Nylonstrümpfen. Als Dorota Maslowska um die Ecke biegt, halte ich inne. Sie ist es! Das selbst ernannte Fräuleinwunder der polnischen Literatur dreht sich nach mir um. Vor Aufregung winke ich dem Mann hinter der Theke zu, und Knoblauchsoße tropft aus meinem Döner.

Meine Begleitung, mein Döner und ich latschen gespannt in Richtung Torstraße. Zehn Minuten später sitzen wir im Club der polnischen Versager. Bewaffnet mit polnischen Bieren, erobern wir unsere Plätze. Im kleinen Raum wird heftig geschwitzt, ein Geruch wie in einer Freiburger Tram macht sich breit – wenn im Sommer die Birkenstock-Sandalen ausgezogen werden.

Der souverän den Versager gebende Ansager Tomasz Sosinski kämpft sich durch die Mikrofonkabel, um lakonisch die veränderte Reihenfolge anzukündigen. Das Beste, also Maslowska, wird vorsichtshalber bis zum Schluss aufgehoben. Dann kommt das Wunderkind mit seinen Mitstreiterinnen Agnieszka Drotkiewicz und Ewa Schilling. Die Lesung kann beginnen: Paris, Berlin, Dachau, Roland Barthes, Sarah Kane und die Homoerotik fliegen abwechselnd in Deutsch und Polnisch vorbei. Die Autorinnen scheinen die Distanz zwischen bekanntem Text und unbekannter Sprache zu genießen, ihre Köpfe wiegen sich langsam im Rhythmus des Erzählten. Nur Maslowska, das Fräuleinwunder, quengelt. „Dorota Maslowska will den Ablauf beschleunigen“, teilt der Moderator trocken mit. Und so liest sie dann auch: Schnell, haspelig und polnisch, eine Menge Schimpfwörter fallen. Später erfahren wir dann, dass gerade eine Steine kotzende Gothic-Anhängerin entjungfert wurde. LUC CAREGARI