: Bilder einer dramatischen Frau
Mit ihren Filmen haben der Regisseur Amos Kollek und seine Hauptdarstellerin Anna Thomson der Stadt New York einst ein Untergangspuzzle gewidmet. Am Strausberger Platz eröffneten die beiden nun eine Ausstellung mit Fotos von ihren Filmen
VON ANDREAS BECKER
In der guten alten Stalinallee erlebt man immer noch Überraschungen. Im Eingang zum Haus Nr. 19 am Strausberger Platz gibt’s ein Wandmosaik mit Altberliner Liedzitaten wie „Im Grunewald ist Holzauktion“, auch andere Westbezirke wie Schöneberg werden gefeaturt. Da wundert man sich doch, wie unkritisch der DDR-Stalinist der Fünfzigerjahre gegenüber verbürgerlichten Kapitalistenvierteln war.
Vielleicht ist ein solcher Ort gar nicht so schlecht für ein Paar, das schon bei Erscheinen seiner ersten von drei gemeinsamen Filmarbeiten wie aus dem Bezugsrahmen gekippt schien: Regisseur Amos Kollek und seine gern als „Muse“ bezeichnete Hauptdarstellerin Anna Thomson. „Sue“, „Fiona“ und „Bridget“ hießen die drei Filme, die sich in der Erinnerung zu einem New York Untergangspuzzle zusammenfügen, das um eine magische, dramatische Frauenerscheinung kreist. Thomson spielte diese Figuren so direkt und scheinbar ungekünstelt, dass es fast eine Zumutung war. Distanz zu dieser Person zu wahren, die ihren Körper so in die Waagschale warf, war fast unmöglich. Da wurde ein Grenze überschritten, und man war sich nicht immer sicher, ob man damit einverstanden sein konnte.
Eigentlich hätte man nach einem einzigen Film mit Anna Thomson die Sachen packen, nach New York fliegen und einfach sehen sollen, was dann passiert wäre. Wenn man dann wirklich nachts in New York in dunklen Gegenden rumschlich, passierte natürlich gar nichts. Thomson blieb versteckt, und man suchte sie auch nicht.
Doch jetzt plötzlich ist sie wirklich da und tritt mit Amos Kollek durch einen Hintereingang in die Ausstellung, die aus ein paar wenigen Fotos von den Filmarbeiten und dem Drumherum besteht. Sie hat ein buntes, langes Kleid an, hochhackige, schicke Schuhe und beginnt gleich ein Gespräch mit zwei Jungs, die so herumstehen. Kollek dagegen kommt in schluffigen Normalklamotten mit einem dicken Gipsfuß. Natürlich traut man sich nicht rüber, hält sich zwischen Salzstangen und Studentenfutterschälchen fest, holt sich gar nicht erst ein Bier, weil man ja gleich abhauen will. Das geht aber auch nicht.
Nach einiger Beobachtung stellt man sich näher zu Kollek, nimmt ersten Augenkontakt auf. Nicht unfreundlich. Jetzt irgendeine Frage überlegen, egal wie doof. „Haben sie ein neues gemeinsames Projekt, Mister Kollek?“ Nein, da gebe es eigentlich nichts. Er wohne ja auch nicht mehr in New York, sondern in Israel. Man merkt, dass Kollek in Scherzlaune ist. Er erzählt eine Anekdote über seinen Arzt, der ihm gesagt habe, er brauche sich keine Sorgen um seinen Fuß zu machen: In seinem hohen Alter seien Langzeitschäden der Gelenke ja nicht mehr so wichtig. Dann lacht er laut. Aber Miss Thomson drehe wohl etwas in Berlin, sagt er noch, aber da müssen Sie sie schon selbst fragen.
Ich drehe mich also zu ihr um, sie gibt mir sofort die Hand. Die ist unendlich lang und schlank und viel zu dünn und leicht. Sie drehe wirklich in Berlin, „sieben Minuten haben wir schon“, sagt sie. Aber nächste Woche fahre sie erst mal nach New York, die Kinder hätten Ferien. Außerdem sei sie jetzt verheiratet, sagt sie, als sei sie selbst davon überrascht. Dann wird sie politisch und kann sich gar nicht mehr einkriegen, dass ihre Landsleute diesen Lügner und Kriegstreiber wieder gewählt hätten. Sie wisse nicht, wie man noch eine Bush-Amtszeit überstehen solle und was der Mann noch alles anstellen wird. „Fahr lieber nicht nach New York, die Stimmung ist beschissen“.
„The Movies Of Amos Kollek“. Strausberger Platz 19, 10243 Berlin, tgl. von 16 bis 20 Uhr. Die drei Filme sind neu erhältlich auf DVD bei monitorpop.de
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