In den USA bröckelt die Heimatfront

Auch einige republikanische Abgeordnete im US-Kongress fordern inzwischen einen baldigen Truppenrückzug aus dem Irak. Präsident Bush übt sich weiter in Optimismus – und verliert in den Meinungsumfragen rapide an Popularität

WASHINGTON taz ■ Ein Wort wie Stimmungsumschwung ist schon öfter benutzt worden, wenn es im Irak mal wieder besonders schlecht lief und die öffentliche Meinung in den USA zu kippen drohte. Doch der vermeintliche Ärger reichte weder für eine Bestrafung Präsident Bushs an den Wahlurnen noch für ausreichend Druck zu einem dramatischen Kurswechsel in der Irakpolitik.

Doch mittlerweile wenden sich selbst einige konservative Kongressabgeordnete von Bush ab. Etwa der republikanische Abgeordnete Walter Jones aus North Carolina, der noch vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt des Streits mit Frankreich im Sicherheitsrat, die „French Fries“ in der Parlamentskantine in „Freedom Fries“ umtaufen ließ. Jetzt sagte er einer Lokalzeitung, die USA seien „ohne jede Rechtfertigung“ in den Krieg gezogen.

Auch die öffentliche Meinung zum Irakkrieg steht auf dem Tiefpunkt. Für drei Viertel der US-Amerikaner sind die Opfer nicht mehr akzeptabel. 59 Prozent sind laut einer jüngsten Umfrage von New York Times und CBS mit dem Vorgehen des Präsidenten im Irak nicht einverstanden. Der Krieg hat die persönlichen Noten des Präsidenten auf den niedrigsten Wert seit seinem Amtsantritt gedrückt: Nur noch 42 Prozent der US-Amerikaner sind mit Bush zufrieden.

Dennoch versprüht Bush weiter Optimismus, ohne jedoch anzudeuten, wie eine erfolgversprechende Strategie aussehen könnte. Sein Vize Dick Cheney verkündet die alte Durchhalteparole, dass sich die Aufständischen im „letzten Todeskampf“ befänden. Nur Pentagonchef Donald Rumsfeld räumte ein, dass der Irak heute nicht sicherer sei als vor zwei Jahren. Damit schließt er sich allerdings nur der Meinung seiner Generäle vor Ort an, die schon längst keine rosa Brille mehr über die Lage im Zweistromland aufsetzen.

Einer Delegation von Parlamentariern beider Parteien, die jüngst den Irak bereiste, gaben sie mit auf den Weg nach Washington, dass die irakischen Streitkräfte noch mindestens zwei Jahre Training bräuchten, um die Besatzungstruppen ablösen zu können. Manche Militärplaner gehen sogar von einem noch längeren Zeitrahmen aus.

Vier Abgeordneten beider Fraktionen, darunter Walter Jones, riss am Donnerstag der Geduldsfaden. Sie forderten das Weiße Haus auf, einen klaren Zeitplan für den Truppenabzug vorzulegen. Auch wenn es sich vorerst um eine Splittergruppe handelt, hat sie mit ihrem Vorstoß die Debatte um eine „Exit-Strategie“ neu entfacht. Sicherheitsexperten und Politiker sind sich jedoch uneins wie eh und je, da sie die USA beim Kampf gegen die Aufständischen einem Dilemma ausgesetzt sehen. Einerseits signalisiert ein baldiger Abzug Schwäche vor dem Feind, der die Rebellen noch ermuntern würde. Andererseits haben sich alle militärischen Mittel bislang als ungeeignet erwiesen, den Irak zu befrieden. Sollte der Widerstand gegen die US-Besatzung gerichtet sein, fürchtet die Chicago Tribune, würde nur Öl ins Feuer gegossen. „Je länger wir bleiben, desto mehr Angriffe provozieren wir. Die Lösung heißt Abzug“, schreibt das Blatt.

Das halten jedoch selbst schärfste Kriegsgegner aus dem linken Lager wie Naomi Klein auf einmal für einen verantwortungslosen Schritt. Die USA hätten sich die Suppe eingebrockt und müssten sie nun auslöffeln.

Zunächst einmal aber entlädt sich der Frust an den jüngst aufgetauchten „Downing-Street-Memos“, jenen Dokumenten vom Juli 2002, in denen Tony Blairs Berater berichten, Bush habe sich längst zum Waffengang gegen Bagdad entschieden, er manipuliere Geheimdienstdaten, um einen Kriegsgrund zu finden, und verfüge über keine Nachkriegsplanung. Lösten die Veröffentlichungen im Mai anfangs nur im liberalen Lager Empörung aus – die Memos enthalten keine spektakulären Neuigkeiten –, dienen sie nun der Opposition im Kongress dazu, den Präsidenten vorzuführen. Am Donnerstag forderten hundert Abgeordnete auf dem Kapitolshügel öffentlich von Bush eine Erklärung.

Die zunehmende Aufmüpfigkeit der Parlamentarier hat jedoch nicht nur ehrenhafte Motive. Vor allem jene Abgeordnete bekommen kalte Füße, die sich kommendes Jahr zur Wiederwahl stellen müssen und in ihren Wahlkreisen den wachsenden Unmut in Sachen Irak spüren. MICHAEL STRECK