Thüringen und die Biathlon-WM: Alles nur, um groß rauszukommen
In Oberhof beginnt die Biathlon-WM. Für deren Erfolg wurde sehr viel investiert. Doch dem Sport in Thüringen hilft so ein Event nicht.
Das Wintersportzentrum Oberhof im Thüringer Wald ist bereit für die am heutigen Mittwoch beginnende und bis zum 19. Februar andauernde Biathlon-WM. 144 Athletinnen und 164 Athleten aus 37 Ländern kämpfen in 12 Entscheidungen um die Medaillen. Der Schnee von Frau Holle kam Ende Januar. Deshalb wurde für die Streckenpräparierung nur ein Teil der in insgesamt fünf Schneedepots gelagerten 40.000 Kubikmeter der weißen Pracht gebraucht. Und am gestrigen Dienstag hat es in Oberhof wieder einmal geschneit.
Mehrere große VIP-, Ehrengast- und Sponsorenzelte wurden am Grenzadler aufgebaut. Mehr als nur Brot für die Spiele kann nun also gereicht werden. Bei der WM ist noch alles größer als beim seit 1984 alljährlich hier stattfindenden Biathlon-Weltcup. Im Iglu-Dorf auf dem Stadtplatz präsentieren sich die Thüringer Tourismuswerber, die Landesregierung und der Landessportbund. Mehr als 150.000 Tickets für die Wettkämpfe seien verkauft, Karten für mehrere Entscheidungen noch immer verfügbar, verkünden die Organisatoren.
Die enorme Summe von rund 250 Millionen Euro an Steuergeldern von Bund und Land floss seit der Wiedervereinigung in die Sportanlagen und die Kleinstadt, die laut aktueller Aussage von Landrätin Peggy Greiser nur noch um die 1.300 Einwohner hat. Allein seit 2019 wurden rund 100 Millionen Euro investiert, davon mehr als 40 Millionen in den Um- und Ausbau des Biathlonstadions. Und die Anlagen werden immer größer – Sebastian König vom BUND Thüringen kritisiert „den großen Flächenbedarf der Sportbauten“ wie der Biathlon-Arena, der Skilanglaufhalle und der Kunsteisbahn sowie „die versiegelten Flächen, die Dimensionen eines Industriegebietes annehmen“. Viele Bäume wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten dafür abgeholzt.
Aktuell sorgt ein erst jetzt bekannt gewordener 86-seitiger Prüfbericht des Landesrechnungshofes für Ärger, der beim Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum Oberhof für den Prüfzeitraum von 2013 bis 2020 16 zum Teil erhebliche Mängel feststellt. Dazu gehören deutlich überteuerte Bauten sowie fehlerhafte und unvollständige Rechnungen. Auch Leistungen von Ingenieuren und Architekten seien mangelhaft, und es gebe Hinweise auf Korruption. Auf Nachfrage antwortete der Zweckverband, er habe die Kritikpunkte sehr ernst genommen und Maßnahmen ergriffen. Man sehe nun die meisten der Beanstandungen als erledigt an.
Schon des Öfteren hatte die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit in Oberhof in Sachen Korruption ermittelt. Der Bürgermeister kassierte einen Strafbefehl, ein ehemaliger Leiter des Olympiastützpunktes kam mit einer Geldauflage davon.
Super Anlagen ohne großen Nutzen
Die teure Sportinfrastruktur von Oberhof ist einmalig. Nirgendwo sonst auf der Welt befinden sich so viele Wintersportanlagen auf engstem Raum, was den Athleten hervorragende Trainingsbedingungen bietet.
Doch was gerade für den regionalen Nachwuchs gut sein sollte, hat sich in den vergangenen Jahren als problematisch erwiesen. Die einzige Thüringer Sportlerin bei der aktuellen Biathlon-WM ist die 25-jährige Vanessa Voigt aus Seligenthal.
Voigt gehört in der 12-köpfigen deutschen Mannschaft hinter der Olympiasiegerin Denise Herrmann aus dem Erzgebirge zu den Medaillenhoffnungen. Schließlich tritt die Olympiavierte von Peking 2022 über 15 Kilometer hier auf ihrer Heimstrecke an.
Bei der ersten Biathlon-WM im Jahr 2004 in Oberhof bestand aber das gesamte Nationalteam noch zur Hälfte aus Thüringern. Eine Ursache für den derzeitigen Mangel an Spitzenbiathleten im Freistaat dürfte in der Vernachlässigung der Nachwuchsarbeit liegen. Zu viele junge Sportler hören wegen Perspektivlosigkeit auf und orientieren sich lieber beruflich weiter oder beginnen ein Studium.
Doch daran, dass diese WM ein Erfolg wird, zweifelt kaum jemand. Der Biathlonweltverband IBU hatte die Organisatoren in Oberhof ordentlich unter Druck gesetzt, auch in die Kunstschnee-Infrastruktur zu investieren. Wenn sie sich da nicht gebeugt hätten, hätte der Weltcup-Standort Oberhof künftig nicht mehr als gesetzt gegolten. Die Schneesicherheit würde fehlen. So aber schüttet die finanzkräftige IBU bei der WM mit 1,57 Millionen Euro eine Rekordsumme an Preisgeldern für die Athleten aus. Für einen Weltmeistertitel zahlt die IBU 25.000 Euro, für Platz 30 gibt es noch 200 Euro.
Was noch zu erwähnen ist, sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den bis 2018 amtierenden IBU-Präsidenten Anders Besseberg wegen des Verdachts der Korruption und der Vertuschung von Dopingfällen. Die norwegischen Behörden haben ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen.
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