Bolognas neuer Botschafter in Bremen

AMTSWECHSEL Ganz anders als sein Vorgänger: Der Wirtschaftswissenschaftler Herbert Grüner ist neuer Rektor der Hochschule für Künste und setzt auf die Fortentwicklung des Bologna-Prozesses

Grüner ist das personifizierte Gegenmodell zu seinem Vorgänger Manfred Cordes

„Bologna ist Freiheit!“ Mit diesem Satz führte sich Herbert Grüner als neuer Rektor der Bremer Hochschule für Künste (HfK) ein. In einer inhaltlich ansonsten nicht sehr auffälligen Rede stach dies Bekenntnis zur Umwandlung der Hochschullandschaft heraus – eine Umwandlung, die gerade an der HfK sehr umstritten war und ist.

Grüner wird ein Mann des Anstoßes sein. Der Wirtschaftswissenschaftler ist der erste von Außen kommende Rektor, ebenso der erste Fachfremde. Also das personifizierte Gegenmodell beispielsweise zu seinem unmittelbaren Vorgänger Manfred Cordes: Ein Musiker, der schon 1986 bei der Gründung der Akademie für Alte Musik dabei war, die in die HfK überging. Cordes zelebriert sein auch während des Rektorats ausgeübtes Künstlertum, indem er das umfangreiche musikalische Programm des Amtswechsels selbst dirigiert. Grüner, zuletzt Professor in Berlin-Weißensee und Leiter der privaten BBW-Hochschule, spricht vom Bologna-Prozess. Der sei „kein Fluch der Karibik, sondern eine frische Brise“.

Während die anderen HfK-Studiengänge mittlerweile komplett auf Bachelor und Master umgestellt sind, was in der Musik und besonders bei den Design-Studiengängen für heftige Debatten sorgte, wird in der Freien Kunst nach wie vor auf Diplom studiert. Das betrifft beinahe 100 der rund 800 HfK-Studierenden, respektive fast ein Dutzend der 56 ProfessorInnen. Allerdings muss die auf fünf Jahre befristete Sondergenehmigung in absehbarer Zeit neu beantragt werden. Ist das mit dem neuen Rektor schwieriger als zuvor?

Für eine solche Einschätzung sei es noch zu früh, sagt François Guiton, Professor für Neue Medien und Dekan des Fachbereichs Kunst und Design. Klar ist für ihn jedoch: „Den Unsinn von Bachelor und Master wollen wir nicht mitmachen.“ Die Kleinteiligkeit und Modularisierung der Bologna-formatierten Studiengänge entsprächen nicht „unserer Auffassung von Lehre“. Zum Zweiten gäbe es ein Zeitproblem: „Wir brauchen mindestens fünf Jahre Ausbildungszeit.“ So, wie die Bologna-Vorgaben in Deutschland gehandhabt würden, dürften jedoch nur rund ein Drittel nach dem Bachelor weiter studieren.

Wichtig für die künftige Verfasstheit der Freien Kunst ist allerdings nicht nur die Haltung von Rektor und Wissenschaftsbehörde, sondern auch die derzeit vorbereitete Evaluierung der entsprechenden Studiengänge. Deren Ergebnis soll Mitte 2013 vorliegen.

Derzeit halten die meisten Hochschulen mit Freier Kunst am Diplom-System fest. Eine wichtige Ausnahme ist die Hamburger Hochschule für bildende Künste, die – „gegen ihren Willen“, wie Guiton sagt – auf Bachelor/Master umstellte. Das 2010 novellierte Bremer Hochschulgesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahmemöglichkeit für die Freien Künste vor. „Wir legen das ganz in die Hand der HfK“, sagt Karla Götz, Sprecherin des Wissenschaftsressorts. Ihre Behörde übe da keinerlei Druck aus.

„Im Moment“ sei eine Umstellung nicht vorgesehen, sagt der neue Rektor auf Nachfrage. Das jetzige Konzept sei für die freien Künste durchaus angemessen. „Mittelfristig“ halte er es aber für „richtig, über die Vorteile nachzudenken“, die das abgestufte System für die freien Künste haben könne. Bologna bedeute nicht Modularisierung, sondern weniger staatliches Reglement und „Outcome-Orientierung“: „Statt über Semesterwochenstunden und dergleichen zu streiten bietet Bologna die Chance, die zu erwerbenden Kompetenzen zu definieren.“ Freilich werde der Bologna-Prozess „oft bewusst falsch verstanden“.

Dass es im Hochschulleben nicht um Formalia geht, hatte im Übrigen auch Wissenschaftssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) bei Grüners Amtseinführung eindrücklich demonstriert: Sie ernannte ihn erst nach schon vorgenommener Vereidigung zum Rektor. HENNING BLEYL