Die SPD ist basismüde

SPD Ein Wechsel an der Landesspitze wird immer wahrscheinlicher. Schon der zweite Antrag auf eine Wahl per Mitgliederbefragung ist jetzt gescheitert

Die SPD steuert immer deutlicher auf einen Wechsel an der Landesspitze zu: Der Vorstand hat am Montagabend zum zweiten Mal einen Antrag abgelehnt, den Parteitag im Juni zu verschieben und den Vorsitzenden direkt von den Mitgliedern wählen zu lassen. Der Vorsitz soll wie geplant am 9. Juni auf dem Landesparteitag von Delegierten gewählt werden. Bei denen führt Herausforderer Jan Stöß vor dem amtierenden Vorsitzenden, Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Bei einer Wahl durch die Mitglieder hätte Müller bessere Chancen.

Den Antrag am Montag hatte der Kreisverband Steglitz-Zehlendorf eingebracht. Er geht zurück auf die Initiative zweier Spandauer Ortsverbände. Die hatten am 8. Mai begonnen, Unterschriften für ein Mitgliederbegehren zu sammeln. Sprechen sich mindestens 10 Prozent der Mitglieder dafür aus – rund 1.670 Unterschriften –, muss der Vorsitzende direkt von den Mitgliedern gewählt werden.

André Dietzschke, Vorsitzender des Ortsverbandes Stadtrand in Spandau und Initiator des Mitgliederbegehrens, sagte der taz am Montag, seit 8. Mai seien bereits 750 Unterschriften zusammengekommen. Er sieht das Begehren keineswegs gegen einen Kandidaten gerichtet oder für einen: „Wir haben keinen eigenen Delegierten bekommen, weil wir als Ortsverband zu klein sind. Es gibt in der SPD jetzt diese Instrumente für mehr Mitbestimmung, dann wollen wir sie auch nutzen.“ Ob die Unterschriftensammlung fortgesetzt werde, auch wenn der neue Vorsitzende wie geplant am 9. Juni gewählt wird, konnte Dietzschke am Montag nicht sagen.

Vergangene Woche hatte sich der Kreis Steglitz-Zehlendorf, der zuvor für Stöß als Kandidat votiert hatte, überraschend für die Wahl des neuen Vorsitzenden per Mitgliederbefragung ausgesprochen. Kreischef Michael Arndt sagte der taz, es gebe Befürchtungen, dass es der Legitimation eines neuen Vorsitzenden schade, wenn er während eines laufenden Mitgliederbegehrens gewählt werde. Für die Sammlung der Unterschriften sind satzungsgemäß drei Monate vorgesehen.

Stöß, Sprecher der Berliner Partei-Linken und Kreisvorsitzender von Friedrichshain-Kreuzberg, hatte erst Ende April seine Kandidatur erklärt. Mehrere Kreise hatten sich in den darauffolgenden Wochen hinter ihn gestellt – nach derzeitigem Stand bekäme Stöß 133 Stimmen, Müller nur 103. Der Landesvorsitz wird standardmäßig von Delegierten der Kreisverbände gewählt; die Zahl der Delegierten hängt davon ab, wie viele Mitglieder ein Kreis hat.

Direkt nach Stöß’ Kandidatur stellten Müllers Unterstützer in einer Sitzung des Landesvorstands den Antrag, den Parteivorsitzenden durch eine Mitgliederbefragung zu ermitteln. Der Landesvorstand, dem auch Vertreter der Kreise angehören, lehnte das damals mit 15 zu 9 Stimmen ab.

JULIANE SCHUMACHER