ROTE UND GRÜNE BEKÄMPFEN SICH IM LETZTEN GEFECHT LIEBER GEGENSEITIG
: Immer feste druff

Angela Merkel kann sich entspannt zurücklehnen. Falls die Kanzlerkandidatin der Union noch leise Zweifel hegte, ob sie die Wahl gewinnt, so lieferten ihr SPD und Grüne an diesem Wochenende zahlreiche Beruhigungspillen frei Haus und kostenlos – mit gegenseitigen Vorwürfen, wer an der miesen Bilanz nach sieben Regierungsjahren schuld ist. Noch nie hat eine Regierung die Macht so großzügig verschenkt. Die Union muss nicht einmal das Minimalprogramm jeder Opposition abspulen, nämlich auf die Fehler der Regierung schimpfen. Auch das erledigen SPD und Grüne lieber selbst.

Statt gemeinsam vor Merkels kaum verhohlenen neoliberalen Reformplänen zu warnen, halten es die beiden Regierungsparteien für wichtiger, sich gegenseitig anzugiften. Eine geniale Strategie. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Neuwahl ursprünglich als „Richtungsentscheidung“ verkauft wurde. Jedenfalls taten SPD und Grüne anfangs so, als wollten sie den Deutschen eine mutige Frage stellen: Habt ihr uns aus Versehen bei allen Wahlen der letzten Jahre abgestraft oder wollt ihr wirklich total schwarz regiert werden? Die Antwort darauf hätte spannend werden können. Hätte. Doch nun erweckt Rot-Grün nur noch den Eindruck: Unsere Zusammenarbeit war ein Versehen. Das wird die Wähler sicher überzeugen.

Es spielt keine Rolle, ob es die SPD war, die mit den Sticheleien anfing. Den Grünen wird es wenig helfen, wenn sie in der Fehlerdiskussion suggerieren: Wir waren’s nicht, die SPD ist es gewesen. Die Regierungsbeteilung im Nachhinein als Knechtschaft darzustellen, ist lächerlich und provoziert nur eine Frage: Warum habt ihr euch dann nicht früher, deutlicher gewehrt? Wenn sie schon „ehrlich“ Bilanz ziehen wollen, müssten die Grünen auch zu Selbstkritik fähig sein. Doch das sind sie nicht. Kein Wunder. Das wochenlange Schönreden der Nebentätigkeiten eines Ludger Volmer, die Missachtung von Minderheitenrechten im Visa-Ausschuss, das Überbordwerfen des Nachhaltigkeitsversprechens – die Grünen haben so viele eigene Prinzipien über Bord geworfen, dass eine „ehrliche Bilanz“ vernichtend ausfallen müsste. Auf die SPD einzuhauen bleibt deshalb: ein allzu billiges Ablenkungsmanöver. LUKAS WALLRAFF