das wird
: Musik macht Mullahs mürbe

Diskussion über die Bedeutung der Musik für die iranische Revolution im Körber-Forum Hamburg

Die Proteste im Iran singen, tanzen, machen Musik und bringen so Menschen zusammen in Bewegung. So wurde der Song „Baraye“ des Musikers Shervin Hajipour millionenfach geteilt und von internationalen Künst­le­r*in­nen gecovert, darunter auch Coldplay, trotz aller Internet-Blockaden des Regimes. Der Text des Liedes besteht aus regimekritischen Tweets von Menschen, die seit dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Masha Amini auf die Straße gehen, um eine Revolution zu entfachen.

Eine Revolution, in der „Musik eine besondere Waffe ist“, sagt Bahar Roshanai. Roshanai arbeitet als Kulturmanagerin für die Körber-Stiftung in Hamburg, für die sie zusammen mit dem Journalisten Milad Kuhpai die Veranstaltung „Iran: Sound of Revolution“ organisiert hat, die heute stattfindet.

Im Körber-Forum diskutieren der Politologe Ali ­Fathollah-Nejad, der Musikvermittler Sebastian Reier und der Protestforscher Tareq Sydiq über die Rolle der Musik in der iranischen Protestbewegung. Ausgangspunkt ist die unmittelbare Verbindung der Proteste mit dem Song „Baraye“: „Wir haben uns gefragt: Warum ist Musik ein Symbol für eine ganze politische Bewegung?“, erklärt Roshanai. Daraus sei die Idee für die Veranstaltung entstanden.

Musik ist im Iran nicht erst seit Beginn der aktuellen Proteste im vergangenen September eine hochpolitische Angelegenheit: Der Anführer der islamischen Revolution, Chomeini, hatte 1979 Musik als Droge verurteilt. Sie vergifte das Gehirn der Hörer, hieß es in seiner Fatwa. Seitdem, so die Kulturwissenschaftlerin ­Nahid Siamdoust in ihrem Buch „Soundtrack of Revolution“, bestehe im Iran ein kafkaeskes, bürokratisches System, das willkürlich entscheidet, welche Musik gespielt werden darf und welche nicht. Weiblich gelesenen Personen ist es grundsätzlich verboten, in der Öffentlichkeit zu singen.

„Alles, was mit Ausübung von Musik zu tun hat, versucht das Regime schwer zu machen“, bestätigt so Roshanai. Sie ist in Teheran geboren und hat Klavier und Gesang in Bremen studiert. Ihr ist es ein Anliegen, eine breitere Öffentlichkeit für die Situation der Künst­le­r*in­nen in Iran zu schaffen.

Denn neben dem populären Beispiel von Hajipour gibt es auch zahlreiche weitere iranische Musiker*innen, die ihre Songs und Stücke anonym auf Youtube veröffentlichen – mit klarer politischer Botschaft: „Unter den Videos steht dann: der Name des Komponisten wird nach der Revolution bekannt gegeben“, sagt Roshanai. Aber auch die Gegenseite nutzt die Macht der Melodien: Regimetreue Musiker versuchen mit Parodien von „Baraye“ die Protestbewegung zu diffamieren.

„Weil die landesweite Opposition ausgeschaltet ist, weil es keine freie Presse im Land gibt – übernimmt Musik eine diskursive Funktion“, stellt Tareq Sydiq in einem Beitrag für den NDR klar. „Sie verbreitet die politischen Ziele und Inhalte“, so der Konfliktforscher, der zu den Podiumsgästen gehört.

Neben den Diskussionen soll natürlich auch Musik vorgestellt werden. So spielt ­Sebastian Reier im Anschluss iranische Musik aus seiner „vielleicht größten Plattensammlung iranischer Musik aus der Zeit vor der islamischen Revolution 1979“. Die ganze Veranstaltung wird live auf der Homepage der Körber-Stiftung gestreamt. Matthias Propach

Körber-Forum, Kehrwieder 12, Hamburg, 16. 1., 19 Uhr