Früher war alles besser

Italien gewann das Spiel bei der WM 1982 gegen Brasilien mit Kapitän Sócrates. Wer Sieger der Herzen war, ist ja wohl klar Foto: Mark Leech/Offside Sports Photography/imago

Ach, was ist der Fußball doch für eine Nostalgie­maschine! Der Fußball von früher war immer schon besser als der von heute. Wer mag sich schon ernsthaft an dieses WM-Turnier erinnern, das da gerade in Katar stattgefunden hat? Fußball konnte so schön sein. Seinerzeit. Manch einer erinnert sich an Spiele, die er selbst nie gesehen hat, weil immer wieder von ihnen geschwärmt wird. Pelé, das war einer! Und was für einer! Wäre in meiner Jugend einer zum Bolzen in einem Brasilien-Trikot gekommen, mit der Nummer 10 auf dem Rücken, wir hätten es ehrfürchtig berührt. Uns vielleicht gefragt, ob so etwas nicht viel zu schade ist, um es beim Kick im Park mit Schweiß zu benetzen. Dieses Gelb mit dieser grünen Nummer! Es war ein magisches Textil. Es stand für einen anderen Fußball, für das schöne Spiel.

Es stand auch für das gute Spiel. Denn da war dieser lange, dürre Kerl mit dem Vollbart, der so hieß wie ein griechischer Philosoph. Der spielen konnte wie kein Zweiter seiner Zeit. Der Spiele lesen konnte, wie es nur ein Fußballintellektueller kann. Der links war und stolz darauf. Sócrates! Er trug die grüne 8 auf dem gelben Leibchen der brasilianischen Auswahl. Er kickte gegen die Militärs in Brasilien, für die Demokratie – nicht nur im Land, nein, auch im Fußball. Was haben wir gestaunt, als wir hörten, dass so etwas möglich war. Corinthians hieß der Klub in São Paulo, für den er spielte. Democracia Corinthiana war das System, das er dort etablieren wollte.

Die Spieler und Betreuer entschieden gemeinsam, was zu entscheiden war. Jeder hatte eine Stimme. Gleichheit! Das war der gute Fußball, auf den wir von München aus staunend geschaut haben. Wir hatten Beckenbauer und dann Rummenigge. Die hatten Sócrates! Eine linke Utopie spielte plötzlich Fußball. 1982 sahen wir ihn bei der WM in Spanien spielen. Weltmeister wurde Italien. Schön war’s trotzdem. Wegen Sócrates. Wegen der Spieler in Gelb-Grün, in der Farbe der Guten! Früher.

Kaum auszuhalten waren nun die Bilder aus Brasília. Zum Sturm auf die Demokratie hatten sich viele Anhänger des als Staatspräsidenten abgewählten Jair Bolsonaro Trikots der brasilianischen Nationalmannschaft angezogen. Das gelb-grüne Leibchen ist hässlich geworden. Vielleicht passt es ja: Neymar jr., einer der besten brasilianischen Kicker der Gegenwart, gewiss einer, der schön spielen kann, hatte sich vor der Wahl zum Fan des rechten Bolsonaro erklärt. Kein Guter.

Aber was am Fußball kann man überhaupt noch gut finden? Früher war eben alles besser. Die Fußballliebe lebt von der Erinnerung an alte Zeiten. Wenigstens die bleibt schön.

Andreas Rüttenauer