: Die elegante Glätte ist noch da
SOULDIVA Dionne Warwick bot im Admiralspalast einen Revueabend mit eingängigen Klassikern und obligatorischem Barhocker
Sie ist immer noch gut bei Stimme. Mittlerweile ist Dionne Warwick eine rüstige, aber vitale Grande Dame des Souls. Mit ihren 71 Jahren hat sie so einiges gesehen. Sie ist auch, wenn man so will, eine Überlebende – ihre Cousine zum Beispiel war die nicht minder erfolgreiche Whitney Houston, die vor Kurzem in ihrer Badewanne ertrank. Auch Dionnes fünf Jahre jüngere Schwester Dee Dee, ihrerseits das größere musikalische Talent, weil sie auch selbst Stücke schrieb, ist schon tot, sie starb vor vier Jahren nach längerer Krankheit.
An diesem schwülen Dienstagabend im Admiralspalast war von Trauer allerdings wenig zu spüren. Die Warwick lächelte und schaukelte sich elegant und selbstbewusst wie je durch ihr knapp einstündiges Programm, das mehrheitlich aus schmeichelhaften Versionen ihrer alten Hits bestand; etwas Abwechslung brachten neuere Songs, vornehmlich aus ihrem letzten Album, „Only Trust Your Heart“ (2011).
Ein bisschen Bossa
Die Warwick machte, so kann man es sagen, mitsamt ihrer Begleitband einen Revueabend ohne Tanzeinlagen mit eingängigem Soul. Ab und an gab es etwas Bossa nova. Dem Publikum, das leicht verschwitzt in den Reihen saß und durchaus jünger war als Warwick selbst – ein Familienereignis, das Konzert – gefiel es. Zugaben spielte sie trotz anhaltenden Applauses nicht.
Dionne Warwick ist sich also treu geblieben. Ihr Soul hatte immer schon diese Eingängigkeit, diese elegante Glätte, die in ihren besten Momenten – von denen es in der Summe reichlich viele gab – von einem emotionalen Tiefgang angehaucht war. Wie es sich für ein klassisches Soulrepertoire gehört. Ihre erste Single erschien 1963; und besonders im Zuge der Arbeit mit dem Komponistenteam Bert Bacharach/Hal David gelangen ihr in der Folge zahlreiche Smashhits. „I Say A Little Prayer“, „Walk on By“, „Trains and Boats and Planes“, um nur einige zu nennen.
Man kennt die Stücke alle. Die jüngeren Hörer – nicht unbedingt die, die in Begleitung ihrer Eltern auf dem Konzert waren – kennen sie auch, nur meist anderswoher. „Say A Little Prayer“: als tolle Acid-House-Version von Bomb the Bass. „Walk On By“: Die Stranglers spielten es als zu Punks mutierte Doors. „I Just Don’t Know What To Do With Myself“: Richtig, die White Stripes, und Kate Moss wickelt sich im Video dazu um eine Lapdance-Stange.
Dionne Warwick aber hat sich im Laufe der Zeit angewöhnt, ihre ohrenschmeichelnden Songs noch sanfter zu spielen. Auf dem Konzert machte sich das dadurch bemerkbar, dass es einen Pianisten gab, aber keine Gitarre. Bei der Trauerballade „I’ll Never Love this Way Again“ wurde der ganze Grusel des in den Achtzigern so gern gepflegten Fahrstuhlsounds besonders deutlich, nämlich wenn dem einleitenden Klavier noch eine fiese Synthie-Auslegeware untergeschoben wird. Soul als (schwarzer) Mainstreampop kann auch grausam sein.
Man muss nichts beweisen
Und auch sonst scheint Warwicks Musik, trotz allen um sich greifenden Retrowahns – einige Retrofans waren natürlich auch da und wunderten sich – inzwischen ziemlich aus der Zeit gefallen zu sein. Oder eben so: Im Alter muss man halt nichts mehr beweisen. Man muss keine Mark-Ronson-Bläser, keinen deepen Beat, keine psychedelischen Anwandlungen wie etwa beim Ober-Retro-Soulmusiker Michael Kiwanuka erwarten. Amy Winehouse ist ja auch schon länger tot. Und wer Abwechslung will, bekommt genauso fahrstuhlgerechte Bossa-nova-Einflüsse. Der Perkussionist kommt ja auch tatsächlich aus Brasilia.
Der Band kann man ohnehin nicht viel vorwerfen: Die Gesten des Bandleaders sind very old school, die Anzüge sitzen alle richtig, der Schlagzeuger ist wirklich lässig, und der Bassist schafft es, den Groove vom Notenblatt abzulesen. Die Vorstellung der Band passte ebenfalls: Sie zog sich endlos in die Länge, während recht bieder „Do You Know the Way to San José“ variiert wurde (schon vorher sollte es Extraapplaus für kleine Soloeinlagen geben). Und die Warwick stand mal rechts, mal links oder hielt sich an den obligatorischen Barhocker.
Na wenn schon, sie ist 71. Und die Stimme hat sie wirklich immer noch. RENÉ HAMANN
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