piwik no script img

Sparen beim Garen

Der Schnellkochtopf ist über 300 Jahre alt. Schon damals ging es seinem Erfinder darum, Energie zu sparen. Wissenschaftlicher Erkenntnisdrang ging seinerzeit mit kulinarischem Nutzen Hand in Hand

Nicht fürs Protokoll: Bei der ersten Vorführung flog der Topf seinem Erfinder um die Ohren flog

Im Jahr 1696 erfand Denis Papin den Schnellkochtopf und kurze Zeit später das Überdruckventil. Der Hugenotte kam als Physiker nach London, wo er zunächst als Assistent an der Royal Society arbeitete, jener Forschungseinrichtung, die bis heute existiert und deren Präsident damals kein Geringerer als Isaac Newton war.

Die erste Vorführung des Schnellkochtopfs fand am 22. Mai 1669 im Salon der Gesellschaft statt. Der „Topf“ hatte die Form eines schmalen, unten geschlossenen Zylinders, auf dem mit Flügelschrauben ein Deckel fixiert war. Das Ganze wurde auf einem Dreibein stehend über Kohlenglut erhitzt. Da es damals noch keine Thermometer gab, die die Innentemperatur hätten anzeigen können, schätzte Papin den Zeitpunkt, an dem das Wasser zu sieden begann, indem er mit einer Pipette Wassertropfen auf dem Deckel absetzte und anhand eines Sekundenpendels maß, wie schnell sie verdunsteten.

Das offizielle Protokoll des Chronisten Thomas Birch schweigt sich über den Umstand aus, dass der Topf seinem Erfinder gleich bei der ersten Vorführung um die Ohren flog. Der Unfall schadete Papins Karriere keinesfalls. Er ersann eine einfache Form von Überdruckventil, das im Prinzip aus einem Stück Leder und einem angefeuchteten Blatt Papier bestand, welches von einem Gewicht auf eine Öffnung im Deckel des Topfes gedrückt wurde. Die beiden Erfindungen verschafften ihm eine feste Stelle als „Kurator der Experimente“.

Papin beschrieb seinen Topf, den er selbst „Digester“ nannte, also „Verdauer“, in einer wissenschaftlichen Publikation, die man heute auf der Website der Royal Society lesen kann. Papin hatte entdeckt, dass Wasser unter Druck wesentlich schneller den Siedepunkt erreichte. Je fester der Deckel verschlossen war, desto besser.

Dem Sitzungsprotokoll der ersten Vorführung ist zu entnehmen, welche Dinge Papin damals vor den Augen der anderen Wissenschaftler einkochte (bevor der Apparat barst, muss es eine Reihe erfolgreicher Versuche gegeben haben). Er kochte einen Kalbsfuß aus und extrahierte Rosmarinöl.

Außerdem zeigte er ein Stück Hirschhorn herum, damals ein verbreitetes Backtriebmittel, dass er bereits vorher in dem Topf erweicht hatte. Durch Biss stellten die Anwesenden fest, dass es nicht härter war als eine übliche Karotte.

Die Wissenschaftler beauftragten Papin herauszufinden, ob man mit derselben Methode das Hirschhorn auch wieder verhärten könne. Zudem wurde er gebeten, die Tauglichkeit des Apparats für die Herstellung von Likören aus Hopfen, Weizen, Gerste und ähnlichen Pflanzen zu prüfen. In späteren Versuchen kochte er unter anderem Makrelen und getrocknete Orangenschalen. Papin entdeckte, dass der Digester in der Lage sei, „das älteste und härteste Rindfleisch so zart und herzhaft zu machen wie junges, erlesenes Fleisch.“

Papin sah den Topf auch als wissenschaftliches Forschungsinstrument, um neue Erkenntnisse über die Natur der Hitze und über komprimierte Luft zu gewinnen, hatte aber auch den praktischen Nutzen im Blick. Er unterstrich, dass ein solcher Topf, in Großküchen zur Speisung der Armen eingesetzt, sehr große Mengen an Brennstoff sparen würde – heute in Zeiten hoher Energiepreise ein relevanter Punkt. Das Pfund „Gelee“ werde für 20 Pence verkauft, so Papin. Mit „Gelee“ sind wohl Fleischextrakt und Knochenmark gemeint, welche als Grundlage für kostengünstige und massenhafte Suppenherstellung dienten. Sein Digester, so rechnete Papin vor, mache sich bei diesen Preisen bereits nach vier Tagen bezahlt.

Martin Kaluza

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen