Profit macht hungrig

Das Geschäft mit dem Elend ist für manche deutsche Bank außerordentlich lukrativ – solange ihr niemand auf die Schliche kommt. Banken spekulieren mit Nahrungsmitteln und sie finanzierten Rüstungskonzerne. Darunter solche mit weltweit geächteter Streubombenmunition. Allen voran als Global Player die Deutsche Bank. Aber auch die Landesbank Baden-Württemberg mischte mit, bis sie dabei ertappt wurde

von Meinrad Heck

Die Herren im vornehmen Steigenbergerhotel Herrenhof zu Wien wünschten anregende Lektüre. Das Team der Landesbank Baden-Württemberg hatte im März 2012 zwischen Snacks und Kaffee eine solche zu bieten. Angereist waren Investoren und Spezialisten für Edelmetalle, Erdöl oder Wasser und Grundnahrungsmittel. „Commodities“ werden sie in der Finanzwelt genannt. Rohstoffe, in milliardenschwere Fonds verpackt, mit den sich viel Geld verdienen lässt. Das treibt nicht nur die Preise nach oben, sondern oft auch den Hunger derjenigen, die ihr Essen nicht mehr bezahlen können.

Von der Knappheit der Ressourcen „profitieren“

Auf der Suche nach immer neuen Anlagemodellen hatten die Finanzdienstleister nach der Jahrtausendwende auch den Agrarsektor entdeckt. Glasklar rät die Landesbank Baden-Württemberg, in dieses Geschäft einzusteigen. Einer ihrer Fonds investiert laut LBBW-Eigenwerbung in „lebensnotwendige Dinge wie Wasser oder Nahrung“. Die Stuttgarter Landesbanker lassen dabei keinen Zweifel an ihren Zielen und denen ihrer gut betuchten Klientel. Es geht um den „Rohstoff- und Ressourcen-Bedarf der Welt“ und vor allem darum, „von der Knappheit dieser Güter zu profitieren“.

Manchmal werden die Herren Banker auch bescheidener. Dann, wenn sie sich ertappt fühlen. Fast zeitgleich zum LBBW-Investorenevent im Wiener Herrenhof veröffentlichte die Hilfsorganisation Oxfam in Deutschland eine Studie zur Spekulation mit Nahungsmitteln und den tödlichen Folgen für die Ärmsten auf dem Globus. „Mit Essen spielt man nicht“, hielt die Studie den Bankern vor. Solch deutliche Worte sind nicht gut fürs Image und damit auch nicht gut fürs Geschäft. Letzteres – und nur das – trifft Banker immer ins Herz. Sie selbst, sagen sie dann gerne, spekulieren nicht, nur ihre Klientel. Mit ihren Investmentprodukten „erfüllt die LBBW den Bedarf ihrer Kunden nach Diversifikation ihres Portfolios“, erklärt die Landesbank auf Anfrage der Kontext:Wochenzeitung.

Megatrend Agrarrohstoffe

Die LBBW hat dieser Oxfam-Studie zufolge über mehrere Fonds fast 200 Millionen Euro in sogenannten Agrarrohstoffen angelegt. Wer als Finanzakteur diesem „Megatrend“ folgt, ist etwa mit Düngemitteln und Saatgut, mit Agrartechnologie, Biotechnologie oder Fleischproduktion „in allen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette global positioniert“. Es geht um Soja, Weizen, Kaffee, Zucker, Baumwolle, „Lebendschweine“ oder auch „Lebendrinder“. Weltweit und mit dem zigfachen Volumen der vergleichsweise kleinen LBBW agieren etwa die Allianz (6,2 Milliarden Euro) oder die Deutsche Bank (fast 4,6 Milliarden Euro) in diesem Sektor. Die Volksbank-eigene Union Investment hat 132 Millionen platziert, die Deka Investment der Sparkassen knapp 103 Millionen Euro. Der Oxfam-Studie zufolge kommen alle deutschen Finanzinstitute auf ein „an Nahrungsmittelpreise gekoppeltes Anlagevermögen“ von 11,4 Milliarden Euro.

Das sei ausdrücklich nur „ein Näherungswert“, der immerhin ein Sechstel des weltweiten Anlagevolumens in diesem Sektor ausmacht. Fast alle wetten über die Warenterminbörsen auf steigende Nahrungsmittelpreise. Und (fast) alle verdienen daran. Die Banken an ihren Provisionen, die Fondsmanager an ihren Verwaltungsgebühren, die Investoren an steigenden Kursen und Preisen. Verlierer sind die Armen, die sich ihr täglich Brot nicht mehr leisten können.

So sehr die Landesbank Baden-Württemberg ihre Kundschaft lockte, von der weltweiten Ressourcenknappheit „zu profitieren“, so wenig mag sie in den Verdacht geraten, sich und ihre Klientel an der Not anderer zu bereichern. Es sei, erklärte die Bank auf Nachfrage von Kontext, schwierig, einen Zusammenhang zwischen Investitionen durch Terminmarktgeschäfte und steigenden Agrarpreisen nachzuweisen. Spekulation wirke „nicht automatisch preistreibend“. Lebensmittelpreise würden stark durch externe Faktoren wie das Bevölkerungswachstum, Biospritproduktion oder Naturkatastrophen wie Dürre, Brände oder Überschwemmungen beeinflusst. Außerdem könnten Terminmarktgeschäfte „nicht die Fundamentaldaten (Anbaufläche, Wetter, Ernte, physische Nachfrage, Substitution etc.) verändern“.

Tatsächlich waren 2007/2008 weltweit die Nahrungsmittelpreise explodiert und hatten Millionen von Menschen aus Entwicklungsländern in den Hunger und viele von ihnen in den Tod getrieben. Jener profitable Ressourcenfonds der LBBW war in der gleichen Zeit um 25 Prozent im Wert gestiegen und nach Platzen der Spekulationsblase fast um die Hälfte eingebrochen. Genau diese Spekulationszusammenhänge, welche die LBBW von sich weist, sieht etwa der Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung der Vereinten Nationen, Olivier de Schutter. Die Auswirkungen dieser Hungerkatastrophe „wurden durch Spekulation verschärft“, wettert er in einer UN-Studie.

Die größten Spekulationen mit der Not finden außerhalb Deutschlands, wenngleich mit deutscher Beteiligung, statt. In Singapur ist eine Duxton Asset Management beheimatet, die über eine Deutsche Asia Pacific Holding ein Joint Venture mit der Deutschen Bank betreibt. Duxton reduziert das Problem und den zu erzielenden Profit aus dem „Growing Demand“, der immer weiter steigenden Nachfrage, auf wenige Zahlen: Jedes Jahr wollen laut einem als vertraulich gekennzeichneten Duxton-Papier, das im Internet kursiert, weltweit „80 Millionen neue Münder gefüttert“ werden. In den Schwellenländern steige das Einkommen, weswegen die Menschen sich bessere Nahrung und einen „höheren Proteinverbrauch“ leisten könnten. Die Ackerbaufläche pro Kopf der Weltbevölkerung habe sich in den letzten vierzig Jahren allerdings halbiert. Wohl dem, der in solche Flächen investiert. Das ist der Markt.

Also geht dieser „Global Investor“ nicht nur, aber auch, im Auftrag der Deutschen Bank und ihrer hauseigenen DWS-Fonds, auf die auch gerne die LBBW verweist, weltweit auf die Suche und hinterlässt von Singapur aus seinen „Agriculture Footprint“. Zum Beispiel in Russland, Südamerika, Mexiko, Australien, Indien, Laos, Vietnam, Kenia, Tansania, im Kongo oder in Südafrika. Farmland wird gekauft und zu großen, rentablen Einheiten zusammengelegt. Kleinbauern verlieren ihre Existenz. Auf der Website einer Investment-Tochter der Deutschen Bank taucht denn folgerichtig auf, was ein Anleger in den goldenen Tresor seines Portfolios zu legen hat: Edelmetall, Erdöl und ein paar Säcke Weizen.

Bei so vielen negativen Schlagzeilen kommt auch die Landesbank Baden-Württemberg mit ihrem zweifelhaften Commodity-Engagement ins Grübeln. Jedenfalls dann, wenn sich die kritischen Nachfragen und Studien häufen. Noch hat sie ihre Investments im Kundenauftrag zwar nicht beendet. Auch sie verdient immer noch an der Spekulationsfreude ihrer Kundschaft und am Hunger. Auf Kontext-Nachfrage erklärt ein Sprecher jedoch, dass die Bank hausintern „berät, ob sie weiterhin Fonds mit Nahrungsmittelbezug anbietet“. Die LBBW Asset Management habe zudem bereits „auf die Nachfrage reagiert und eine Produktalternative für Anleger auf den Markt gebracht, die bei Rohstoffinvestments einen Nahrungsmittelbezug vermeiden möchten“. Darüber hinaus seien neue Anlageprodukte mit Bezug zu Agrarrohstoffen „nicht geplant“.

Deutsche Geldhäuser und Streubombenmunition

Ähnlich eifrig auf dem Rückzug waren die Landesbanker schon einmal gewesen. Vor zwei Jahren, und wiederum erst, nachdem sich die kritische Organisation „Facing Finance“ sehr detailliert mit dem Engagement deutscher Geldhäuser bei US-amerikanischen Herstellern von Streubombenmunition beschäftigt hatte. Auch da gab es im Portfolio der Landesbank Baden-Württemberg einiges zu entdecken. Jahrelang hielt der hauseigene „Genius Strategie Fonds“ Tausende von Aktien US-amerikanischer Rüstungsunternehmen. Das allein wäre noch nichts Besonderes. Auch Daimler hat mit EADS eine Rüstungstochter. MTU am Bodensee ist ein Rüstungsunternehmen. Rheinmetall, Heckler & Koch, sie alle werden über die verschiedensten Instrumente direkt oder indirekt von deutschen Banken finanziert.

Die US-Aktien im LBBW-Fonds waren dagegen deutlich brisanter. Unternehmen wie Textron Inc., General Dynamics oder Raytheon Co. und Lockheed Martin Corporation standen und stehen allesamt im – zum Teil bestätigten – Verdacht, weltweit geächtete Streubombenmunition herzustellen oder an der Herstellung beteiligt zu sein. Die LBBW hatte fast 4.000 Aktien dieser Unternehmen in ihrem Genius Strategie Fonds. Nachdem die Rechercheure von Facing Finance diesen Skandal öffentlich gemacht hatten, verkaufte die LBBW 2010 die umstrittenen Aktien. In noch stärkerem Maß war die Deutsche Bank bei den gleichen US-Unternehmen engagiert. Auch sie will angeblich aus ihren mehr als 400 Millionen Euro schweren Engagements ausgestiegen sein. Laut Facing Finance hat die Bank aber noch nach ihrer Ausstiegsankündung an ein einschlägig bekanntes Unternehmen Kredite vergeben.

In eine solche „Ausstiegslüge“, wie Kritiker es nennen, wollen baden-württembergische Landesbanker nicht verwickelt werden. Auf Nachfrage der Kontext:Wochenzeitung erklärten die Landesbanker, ihre LBBW Asset Management fungiere bei dem strittigen Genius Strategie Fonds „lediglich als Kapitalanlagegesellschaft, nicht als Fondsmanager“. Sie sei deshalb „nicht für die Titelselektion und -allokation verantwortlich, sondern prüft nur deren Konformität mit den Anlagerichtlinien des Fonds“. Also übersetzt: verantwortlich für das Etikett, nicht den Inhalt. Die LBBW schließt „vor dem Hintergrund der UN-Konvention zum Verbot von Streumunition, die am 1. Oktober 2010 in Kraft trat und von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde, für ihre Investmentfonds eine Investition in Streumunition produzierende Unternehmen aus“, heißt es in der Antwort auf die Kontext-Anfrage. Ein kleines Hintertürchen hat sich die LBBW allerdings offen gehalten: „Von diesem Grundsatz kann nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch abgewichen werden.“