Syrien ist draußen


von KARIM EL-GAWHARY

Erstmals seit dem libanesischen Bürgerkrieg wird eine Mehrheit aus antisyrischen Abgeordneten die Politik im libanesischen Parlament bestimmen. Am Ende hat es die Oppositionsliste Saad Hariris doch geschafft. Bei der ersten libanesischen Wahl seit dem Abzug der syrischen Truppen erhielt das Bündnis nach einem vorläufigen inoffiziellen Ergebnis 72 der 128 Sitze im libanesischen Parlament. „Das Resultat zeige, „dass das Volk einen Wechsel will“, erklärte Hariri noch vor der Verkündung des offiziellen Endergebnisses. Damit kann der 35-jährige, politisch relativ unerfahrene Geschäftsmann in die Fußstapfen seines Vaters treten, der fünfmal das Amt des Ministerpräsidenten inne hatte, bevor er im Februar ermordet worden war.

Vier Sonntage lang hatten die libanesischen Wähler in vier verschiedenen Wahlbezirken ihre Stimmen abgegeben. Zwischendrin sah es so aus, als ob der erwartete Sieg der antisyrischen Hariri-Liste doch noch in Zweifel gestellt würde. Zwar hatte die Liste beim ersten Wahlgang in Beirut gleich alle 19 Mandate erhalten, bei der zweiten Runde im Süden des Landes waren es dann aber die prosyrischen schiitischen Gruppierungen Hisbollah und Amal, für die sich die Wähler entschieden hatten.

Und auch im dritten Wahlgang in den überwiegend christlichen Bergen und der Bekaa-Ebene war die Hariri-Liste gegenüber einer Koalition zwischen dem christlichen Politiker Michel Aoun und einigen prosyrischen Vertretern unterlegen. „Wenn ihr nicht wählen geht, wird sich überhaupt nichts verändern“, versuchte Saad Hariri seine Anhänger dann in der letzten Runde im Norden des Landes und in der zweitgrößten Stadt Tripolis zu mobilisieren. Mit Erfolg: Seine Liste erhielt alle der im Norden zur Wahl stehenden 28 Mandate.

Wie sehr sich die libanesische Politik allerdings noch als ein Kampf zwischen dem anti- und prosyrischen Lager beschreiben lässt, ist zweifelhaft. Bereits im Wahlkampf war die Front der antisyrischen Opposition auseinander gebrochen. Michel Aoun, der die Syrer in einigen der blutigsten Schlachten des Bürgerkrieges bekämpft hatte, war eine Koalition mit mehreren prosyrischen Politikern gegen die Harri-Liste eingegangen.

Gleichzeitig warf er aber der Hariri-Allianz vor, erst vor kurzem opportunistisch in das antisyrische Lager gewechselt zu haben. Mit antisyrischen Gruppen, die gegenseitig ihre antisyrische Glaubwürdigkeit in Frage stellten, hatte der Wahlkampf mitunter bizarre Formen angenommen. Nur die Syrer selbst haben sich offensichtlich herausgehalten. „Die Wahl war absolut frei und es gab keine syrische Einflussnahme auf die Wähler“, schlussfolgerte Übergangsministerpräsident Najib Miqati nach dem letzten Wahlgang.

Der 70-jährige christliche Exgeneral Aoun erhielt mit seiner Liste 21 Sitze im Parlament. Die restlichen 35 Sitze im Parlament entfallen auf eine prosyrische Allianz unter Führung der Schiiten-Gruppen Hisbollah und Amal.

Nun stellt sich die Frage, wie lange das Wahlbündnis Hariris mit Drusenführer Walid Dschumblatt und einigen rechten christlichen Gruppierungen die Wahlen überleben wird. Saad Hariri wird sich auf Dauer als politisches Programm mehr einfallen lassen müssen, als sich lediglich als Erbe seines „Märtyrer-Vaters“ zu verkaufen.