Andreas Hartmann
Durch die Nacht
: Lasst den Opa doch!

Foto: taz

Es wird noch eine Weile dauern, bis er die Bühne der Arena am Ostbahnhof betreten will, aber die Riesenposter kündigen bereits an: Roger Waters kommt am 17. Mai 2023. Immerhin kann man auf den Werbebannern auch lesen, dass es seine Abschiedstournee ist. Der große alte Mann der Rockmusik, einst Vorsteher von Pink Floyd, will es noch einmal wissen, um danach – versprochen ist versprochen – nie wieder live zu performen.

Man könnte also sagen: Lassen wir dem alten Stinkstiefel noch mal seinen Spaß, und dann ist Ruhe. Aber so ist es nicht. Das Rumgeheule in Städten wie Frankfurt und München, die der Rockopa ebenfalls beglücken will, ist riesig. Bürgermeister und Antisemitismusbeauftragte zetern und wollen bewirken, dass die Konzerte abgesagt werden. Nun hat sich auch der Berliner Antisemitismusbeauftragte zu Wort gemeldet und will Waters schon jetzt in Rente schicken.

Geht es nicht eine Nummer kleiner? Muss immer gleich verboten werden? Waters ist bestimmt ein unangenehmer Zeitgenosse. Schwer zu sagen, ob er schon immer so war oder irgendwann falsch abgebogen ist. Mit seinen ehemaligen Bandmitgliedern ist er seit einer halben Ewigkeit derart verstritten, dass eine Wiedervereinigung von Pink Floyd immer ausgeschlossen war. Und seine Äußerungen zu Israel sind mehr als grenzwertig, antisemitische Vergleiche mit dem NS-Staat inklusive. Dazu kommt nun der Tatbestand, in einem Interview Joe Biden mehr oder weniger einen Kriegstreiber genannt und Verständnis für den Diktator im Kreml gezeigt zu haben.

Aber wenn diese ziemlich verquere Weltsicht allein ausreichen soll, um deren Vertreter ultimativ zu canceln, hätten Politik und Antisemitismusbeauftragte sehr viel zu tun. Da könnte man gleich die Linkspartei mitverbieten, bei der die meisten Putin bloß für ein von den USA in die Ecke gedrängtes Würstchen und nicht wenige Israel für einen Unrechtsstaat halten.

Vorgehalten wird Waters zudem seine Nähe zum BDS, als dessen vielleicht bekanntester Fürsprecher er auftritt. Aber wollte man jedem Musiker und jeder Musikerin den Auftritt verbieten, der oder die Sympathien für diese Bewegung zeigt, die Israel isolieren möchte, wären die Konzertagenturen weitgehend arbeitslos.

Popmusiker und Popmusikerinnen sind ja überdurchschnittlich oft links oder halten sich dafür. Und den BDS ebenso. Wenn man sich nur das vor Kurzem veröffentlichte Statement der „Musicians for Palestine“ durchliest, in dem Israel unverhohlen mit Apartheid in Zusammenhang gebracht wird, und dann sieht, wer sich hier alles angesprochen fühlt, stellt man fest: Das sind nicht wenige.

Wie wäre es also, als Antisemitismusbeauftragter nicht gleich das Äußerste zu fordern, sondern meinetwegen zu einer Demo vor der Arena am Ostbahnhof aufzurufen gegen den senilen Waters? Das wäre doch auch ein Statement. Abgesehen davon halte ich den alten Grummler für überschätzt. Pink Floyd waren am besten, als Drogenwrack Syd Barrett Chef war. Nachdem Waters das Kommando übernommen hatte, ging es mit der Band abwärts.