Das Kölner Modell wird zum Sparmodell

Sozialdezernentin und Kölner Grüne sehen die Förderung von Langzeitarbeitslosen gefährdet: Die Stadt gebe nicht genug Geld für Schuldner- und Suchtberatung. Die CDU kontert: Hartz IV soll erst mal ans Laufen kommen, die ARGE funktioniere nicht

VON SUSANNE GANNOTT

Das so genannte Kölner Modell steht mangels Finanzierung womöglich bald vor dem Aus. Das befürchten zumindest grüne Befürworter des umstrittenen Hartz-Vorbilds wie die Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst. 20 Millionen Euro pro Jahr müsste die Stadt für die Schuldner-, Sucht- und psychosoziale Beratung von Langzeitarbeitslosen bereitstellen, hatte sie in den Haushaltsverhandlungen gefordert. Bekommen wird sie fünf Millionen Euro – mehr sieht der Etat 2005/2006 nicht vor, den CDU und SPD am Montag im Finanzausschuss beschlossen und der so am 5. Juli auch den Stadtrat passieren dürfte. Das sei viel zu wenig, um allen bedürftigen ALG-II-Beziehern zu helfen, beschwert sich Bredehorst: „Damit ist tendenziell das ganze Kölner Modell gefährdet.“

Nach Einschätzung von Bredehorsts Mitarbeitern haben etwa zehn Prozent der rund 52.000 erwerbsfähigen Kölner ALG-II-Empfänger ein Suchtproblem. 20 Prozent müssten wegen Überschuldung beraten werden, etwa 10 Prozent hätten „besondere soziale Schwierigkeiten“ und bräuchten psychosoziale Betreuung, heißt es in einer internen Bedarfsanalyse, die der taz vorliegt. „Wir betreuen etwa sechs Mal so viele Menschen wie vor Hartz IV“, sagt Bredehorst. Entsprechend größer sei der Bedarf an flankierenden Hilfen für Langzeitarbeitslose.

Hilfe lohnt finanziell

Auch für die Stadt würden sich solche Angebote finanziell lohnen, betonen die Autoren des Papiers. So habe die Erfahrung der letzten Jahre im Jobcenter gezeigt, dass Menschen mit Suchtproblemen, „die ohne Hilfe bleiben, unmittelbar in die Arbeitsunfähigkeit kommen“ und dann als Sozialhilfeempfänger der Stadt zusätzliche Kosten verursachen. Zudem habe eine Wirksamkeitsstudie zur Schuldnerberatung gezeigt, dass sie nicht nur Kosten spare, „sondern vor allem ein enormer Beitrag zur Sicherung der Wohnung und daran anschließender Vermittlung in Beschäftigung geleistet wird“.

Die finanziellen Vorteile für die Stadt hatten Bredehorst und die grüne Ratsfraktion auch in den Haushaltsverhandlungen mit dem Kämmerer und den anderen Ratsparteien betont. Nach ihrer Rechnung würden sich die jährlichen Mehrausgaben schon im darauf folgenden Jahr amortisieren, weil mehr Menschen wieder arbeiten könnten und „die Fallzahlen sinken“, wie der grüne Fraktionsvize Jörg Frank erklärt. Zur Überbrückung könne die Stadt den Erlös von rund sechs Millionen Euro aus dem Verkauf städtischer Aktien verwenden.

Dieser „Vermögensverlust“ wäre überschaubar, findet Jörg Frank, dafür hätte man die „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt“ gestellt. Auch die PDS hatte die Idee unterstützt. „Das rechnet sich für die Stadt und für die Menschen in Not“, sagt PDS-Ratsherr Jörg Detjen.

Die Ratsvertreter von CDU und SPD hat das Konzept allerdings „nicht überzeugt“, wie der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Karl Jürgen Klipper, freimütig zugibt. Er sehe auch nicht, dass das Kölner Modell mit der geringeren Ausstattung finanziell ausgetrocknet wird. Bredehorst solle die ARGE mit den vorhandenen Mitteln erst einmal „ans Laufen bringen“. Es gebe „seit Monaten“ Anfragen von der KVB nach Ein-Euro-Jobbern. „Aber von der ARGE kommt keine Rückmeldung“, kritisiert Klipper. Wenn die ARGE funktioniere, könne man nochmal drüber reden.

Während der Haushaltsansatz des Kämmerers in diesem Punkt also vorerst unangetastet bleibt, sattelten die Großkoalitionäre bei einigen anderen Posten am Montag noch einmal kräftig drauf. So summieren sich die zusätzlichen Ausgaben für Straßen- und Stadtsanierung, Grünpflege, Wohnungsbau und zur Erschließung neuer Baugrundstücke in den nächsten beiden Jahren auf rund 30 Millionen Euro.

30 Millionen Investitionen

Mehr Geld, als der Kämmerer vorgesehen hatte, gibt es jetzt auch für die Bezirke, für Drogenhilfsprojekte, Familienberatung, Schwimmbäder und Sportstätten. Und der Fahradbeauftragte wird doch nicht gestrichen.

Finanzieren will die Koalition die Zusatzausgaben über die erhofften Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer und über den Verkauf von städtischen Grundstücken und RWE-Aktien. Damit sei der Haushalt ab 2007 ausgeglichen, hofft Klipper, und könne vom Regierungspräsidenten genehmigt werden. Der Grüne Frank hat da seine Zweifel. Der Haushalt sei ein „Zahlenspiel“ mit wenig Realitätsgehalt. „Das ist wie beim Fünfjahresplan des SED-Zentralkomitees.“