Aaron Hunt ist Fins Freund

Fin ist einer der vielen Fans von Aaron Hunt. Und es werden immer mehr. Was Schweini und Poldi beim Confederations Cup für die Nationalelf, ist Hunt für Werder Bremen: Der Nachwuchsstar läuft lieber nach vorn als nach hinten. Das Leben eines 18-Jährigen, der seit vier Jahren nur noch an Fußball denkt

Von Kay Müller

Nein, das mit den Interviews, das liegt Aaron Hunt nicht. Nervös fummelt der 18-Jährige immer wieder an seiner Schirmmütze herum, sieht auf den Rasen des Weserstadions hinüber. Da will er hin, da will er spielen und möglichst viele Tore erzielen.

Hunt ist näher dran als viele andere in seinem Alter. Der Junge gilt als Talent, durchsetzungsstark, unbekümmert, torgefährlich. Er kann viele Positionen spielen. Hauptsache, er darf sie offensiv auslegen: „Ich laufe lieber nach vorne als nach hinten“, sagt der Spieler, der in der kommenden Saison im Profikader des SV Werder Bremen steht. „Der Verein ist für mich mehr als ein Arbeitgeber“, meint Hunt mehr als einmal.

Seine Karriere ist eine wie sie sich Vereinsbosse vorstellen. Hunt ging fast drei Jahre auf das Fußballinternat von Werder Bremen. Und wie die beiden etwas Älteren Christian Schulz und Nelson Valdez hat er es bis ganz nach oben geschafft.

Heute ist er noch einmal zurückgekommen ins Internat, in den Trakt, der hinter der Tribüne des Weserstadions liegt, Blick auf das Spielfeld inklusive. Ein trister halbrunder Gang, neben jeder Zimmertür hängen Bilder der Jungs, die dahinter wohnen. Neben Raum 516 hängt nichts, hier hat Hunt gewohnt. Am Ende des Ganges eine Küche, dahinter ein Billardraum. Auf der anderen Seite ein Computerraum. Der Boden ist mit blauem Linoleum ausgelegt, alles pflegeleicht. „War keine schlechte Zeit hier“, sagt Aaron, der seit einem Jahr nicht mehr hier wohnt. Erst zog er zu seiner Freundin, jetzt hat er ein eigenes Domizil gefunden. „Ich bin in Bremen heimisch geworden“, sagt der junge Fußballer, der aus dem Harz stammt.

Keine schlechte Zeit? In Bremen heimisch? Das war auch mal anders im jungen Leben des Aaron Hunt. Nachdem ihn ein Scout des Vereins zum Probetraining eingeladen hat, verpflichtet der Verein den damals 14-Jährigen. Aaron glaubt da noch nicht an die große Karriere. „Aber packen wollte ich es natürlich schon“, sagt er. Aaron zieht nach Bremen in das Internat, zu den anderen 18 Nachwuchsspielern. Im Doppelzimmer wohnt er mit Taro Nagasaka zusammen, der heute in Japan spielt. Die beiden freunden sich an, doch Aaron bleibt einsam. Immer der gleiche Trott: Morgens wecken, aufstehen, zur Realschule nach Obervieland. Nachmittags Hausaufgaben, ab 17 Uhr Training, um 23 Uhr geht das Licht aus. Um Wäsche und Essen brauchen sich die Jungs nicht zu kümmern. Die Regeln im Internat sind streng, fast alles dreht sich um Schule und Fußball.

Nach ein paar Monaten hat Aaron genug. Das Heimweh nach Goslar, nach seinen Eltern, den beiden kleinen Schwestern und den Freunden ist zu stark. Er ruft seine Mutter an, die wie die ganze Familie nicht viel von Fußball versteht, ihren Sohn aber unterstützt. Mutter Hunt setzt sich ins Auto, holt ihren Sohn nach Hause zurück. „Ich hatte meine Tasche noch nicht ausgepackt, da stand schon der Jugendtrainer von Werder in der Tür und hat mich zurückgeholt.“ So einfach klingt das aus dem Mund des 18-Jährigen. „Ein Ausrutscher“ sei seine Flucht gewesen, sagt Aaron Hunt heute, damals hat es ihn belastet. Sein Trainer habe ihn bestärkt, dass er es schaffen könne – auch bis in den Profikader. Der 14-Jährige lässt sich überzeugen, fährt gleich wieder mit zurück nach Bremen.

Hunt entscheidet, sich noch mehr reinzuhängen. „Wie ein Gefängnis war das hier nicht. Ich habe mich irgendwann eingelebt.“ Und das zahlt sich aus. Neben dem Engagement bei der A-Jugend darf er bei den Amateuren mitspielen. Bis er eines Tages einen Anruf von Werder-Cheftrainer Thomas Schaaf bekommt: „Du fliegst morgen mit nach Berlin.“ Hunt hat Glück, darf 20 Minuten in einem Testspiel kicken. Ein paar Monate später läuft er zum ersten Mal von Anfang an in der Bundesliga auf, erzielt ein sensationelles Tor gegen Gladbach. Werder gewinnt 2:0.

Danach beginnt der Rummel. Die Medien stürzen sich auf das junge Talent. Seitdem ist alles ein bisschen anders im Leben des Aaron Hunt.

Wie man Interviews gibt, hat man ihm noch nicht beigebracht im Internat. Doch der Junge lernt schnell. Er weiß, dass er auf Fragen nach seinen Perspektiven am besten antwortet: „Ich bin erst 18 und habe viel Zeit“. Und: „Verbessern kann ich mich überall“. In ein paar Wochen macht er seinen Realschulabschluss. Hunt fummelt ein letztes Mal an seiner Mütze, schaut ins Stadion und sagt: „Dann gibt es nur noch Fußball.“