piwik no script img

Weizenexporte aus der UkraineGestörter Korridor

Russland hat das im Juli abgeschlossene Abkommen zur Getreideausfuhr ausgesetzt. ­Die Ukraine soll russische Kriegsschiffe angegriffen haben.

Steckt im Hafen von Odessa fest: ein Frachtschiff mit 40.000 Tonnen Getreide an Bord Foto: Yulii Zozulia/imago

BERLIN taz | Hunger als Kriegswaffe: Russland hat am Samstag seine Teilnahme an dem Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Sicherheit von Frachtschiffen in dem Getreidekorridor könne nicht länger gewährleistet werden, daher werde er geschlossen, hieß es.

Am Sonntag berichtete das russischsprachige Nachrichtenportal insider.ru, dass die Ukraine ihre Getreideexporte gestoppt habe. Angaben des Ministers für Infrastruktur Alexander Kubrakow zufolge, den insider.ru zitiert, könne der Frachter IKARIA ANGEL, der im Hafen von Odessa liegt, nicht ablegen.

Das von der UN im Rahmen des Welternährungsprogramms gecharterte Schiff sollte 40.000 Tonnen Getreide nach Äthiopien bringen. Als Grund für seinen Ausstieg hatte Moskau mehrere Drohnenangriffe der ukrainischen Streitkräfte auf russische Schiffe im Hafen von Sewastopol auf der Krim genannt.

Dabei sollen Angaben der internationalen Monotoring-Gruppe GeoConfirmed zufolge mindestens drei Schiffe beschädigt worden sein – darunter auch die „Admiral Makarow“, ein Flagschiff der russischen Schwarzmeerflotte. Die Gruppe verbreitete entsprechende Fotos und Videoaufnahmen in den sozialen Netzwerken.

Das russische Verteidigungsministerium hatte erklärt, dass an der Vorbereitung der Angriffe „britische Spezialisten in der Ukraine federführend beteiligt gewesen seien – dieselben Leute, die auch Sabotageakte an den Nord-Stream-Gaspipelines organisiert hätten.

Am 22. Juli 2022 hatten sich die Ukraine, Russland und die Türkei unter Vermittlung der UNO bei Gesprächen in Istanbul auf einen „Deal“ geeinigt, der bis zum 19. November gilt. Ziel war und ist es, die Ausfuhr ukrainischen Getreides zu ermöglichen, die aufgrund des mehr als acht Monate andauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine blockiert gewesen war. Dadurch hatte sich die globale Ernährungskrise verschärft.

Die beiden Verträge (die Ukraine und Russland unterzeichneten mit der Türkei und der UNO getrennte Dokumente) sehen unter anderem ein internationales Koordinationszentrum (JCC) vor, in dem Vertreter aller vier Vertragsparteien die Einhaltung der Abkommen sowie die sichere Durchfahrt ukrainischer Frachtschiffe auf festgelegten Routen überwachen. In der Nacht zu Sonntag teilte das JCC mit, es sei keine Vereinbarung über die Aus- und Einfahrtsbewegungen von Frachtschiffen erreicht worden.

Bereits zuvor hatten die EU und die USA Russland dazu aufgerufen, die Entscheidung vom Samstag wieder rückgängig zu machen. Diese gefährde die Hauptexportroute für dringend benötigtes Getreide und Düngemittel, um die globale Ernährungskrise zu überwinden, schrieb EU-Chefdiplomat Josep Borrell auf Twitter.

Ähnlich äußerte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. „Millionen Menschen auf der Welt hungern, und Russland stellt erneut die Sicherheit von Getreideschiffen zur Disposition. Das muss aufhören. Ob Familien im Libanon, Niger oder Bangladesch ihre nächste Mahlzeit bezahlen können, darf nicht von den Kriegsplänen des russischen Präsidenten abhängen“, sagte Baerbock der taz.

Der ist, glaubt man Russlands Außenminister Sergei Lawrow, angeblich weiterhin zu Verhandlungen mit dem Westen bereit. Dafür müsse sich der Westen jedoch mit realistischen Vorschlägen an die Russische Föderation wenden. Diese müssten auf den Grundsätzen von Gleichberechtigung sowie dem gegenseitigen Respekt der Interessen aller beruhen und darauf ausgerichtet sein, nach einem Kompromiss sowie einer Balance der Interessen aller Staaten in dieser Region zu suchen, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Lawrow.

Russland hat für diesen Montag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Thema Getreideexporte beantragt. Ob es dort greifbare Ergebnisse geben wird, ist eher fraglich. Russland werde diese Runde, wie alle vorherigen, verlieren, schreibt der ukrainische Journalist Bogdan Butkewitsch auf dem Nachrichtenportal focus.ua. „Und schließlich auch jede Chance auf Gunst und Unterstützung der Länder Afrikas und Asiens.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen