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: Das Wasser abgegraben

Die Bundesregierung hat ein neues Gesetz verabschiedet, wodurch die Hebammen aus dem Pflegebudget fallen. Das ist für die Gesundheitsversorgung ein großes Problem

Kein Job, den jede beliebige Krankenschwester übernehmen kann: Die Arbeit einer Hebamme   Foto: Michaela Rehle/reuters

Von Clemens Sarholz

Kühe bekommen ihre Jungen auf der Weide. Sie plumpsen auf den Boden, liegen da, werden abgeschlabbert und fertig. Menschliche Kinder allerdings plumpsen da nun mal nicht einfach so raus. Das hat mit dem aufrechten Gang zu tun, und damit, dass sich der Geburtsgang gekrümmt hat und damit, dass der Kopf zu groß ist. Wenn das ganze Geburtsprozedere vorüber ist, reicht es auch nicht, das Kind einmal sauber zu machen, warm einzupacken und lieb zu haben. Es gibt Menschen für diese sensible Lebensphase von Mutter und Kind. Sie sind nicht nur Handwerker:innen, die das Kind auffangen, sie sind auch Seel­sor­ge­r:in­nen und Ge­sund­heits­ex­per­t:in­nen und nennen sich Hebammen.

Nun hat die Bundesregierung aber ein neues Gesetz verabschiedet. Es nennt sich „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Kranken­versicherung“ und soll den Mist aufräumen, den die vergangene Regierung hinterlassen hat: Ein Defizit von 17 Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen. Es ist löblich, dass die Bundesregierung versucht, den Beitrags- und Steuerzahler zu schonen. Die Beitragserhöhung beträgt gerade mal 0,3 Prozent. Dass sie mit dem Gesetz aber Hebammen das Wasser abgräbt, ist ein Problem. Das Gesetz sieht vor, dass die „bettenführenden Stationen“, darunter auch Wochenbettstationen, fast ausschließlich von „qualifiziertem Pflege­personal“ betreut werden. Hebammen aber gelten nicht als qualifiziertes Pflege­personal. Dadurch fallen sie aus dem ­Pflegebudget heraus, das sie bisher mitfinanziert hat. Was Hebammen von staatlicher Seite bekommen, reicht vorne und hinten nicht. Damit schiebt man den Geschäftsführern von Kliniken recht clever die Ver­antwortung zu. Die müssen nämlich jetzt kreativ werden und zusehen, wie sie den Rest finanzieren. Oder ­Hebammen entlassen. Der Hebammenverband warnt: Das Gesetz habe „katastrophale Auswirkungen auf die klinische Geburtshilfe“, Protest kommt nun auch von der FDP. Wochenbett heißt nämlich leider nicht, dass man mit den Babys schmust, sie wiegt, den Müttern die Hand hält und sich über das neue Leben freut. Sie sind hochspezialisiert und sensibilisiert, zum Beispiel bei Stillproblemen. Damit kennt sich eine normale Krankenschwester nicht aus.

Geschäftsführer von Kliniken müssen jetzt kreativ werden – oder entlassen

Natürlich können das auch Kran­ken­pfle­ge­r:in­nen mit der entsprechenden Zusatzausbildung. Nur werden die auf allen anderen Stationen gebraucht. Es ist ja nicht so, als gäbe es keinen Pfleger:innenmangel. Und das wird sich auch nicht ändern. Derzeit gibt es 4,1 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland, im Jahr 2030 sollen es bereits rund 6 Millionen sein. Es ist prognostiziert, dass es immer weniger Pfle­ge­r:in­nen gibt. Die Ökonomisierung der Gesundheitsbranche schreitet voran.

Das lässt sich hervorragend in den Kreißsälen sehen. Mit guten, gesunden Geburten kann man keine Profite schlagen. Das ist ein Grund, warum in Deutschland die Kaiser­schnitt­raten sehr hoch sind. Laut WHO sei eine Kaiserschnittrate von bis zu 10 Prozent medizinisch notwendig. In Deutschland liegt sie bei etwa 30 Prozent. Ein weiteres Problem: In der Ausbildungsverordnung der Hebammen heißt es, dass eine Ausbildungsstation die Wochenbettstation sein muss. Und sie müssen von ausgebildeten Hebammen die Praxisanleitung erfahren. Wenn aber keine Hebammen mehr da sind, können auch keine ausgebildet werden. Nun wurde eine Petition gestartet, die fordert, dass Hebammen wie bisher Teil des Pflege­budgets sein sollen. Nach vier Tagen hat die Petition 1.150.000 Unterschriften gesammelt. Viele Menschen wollen offensichtlich eine gute Betreuung im Wochenbett. Und zwar von Hebammen.