Umbau der Charlottenstraße: Strichweise grün
Die Friedrichstraße muss sich wieder für Autos öffnen, dafür kann man jetzt auf der Charlottenstraße besser Radfahren. Das ist die Zukunft.
Es sind nur ein paar Linien. In sanftem Grün ziehen sie sich am Dienstagmorgen auf dem gut 100 Meter langem Abschnitt der Charlottenstraße von Unter den Linden bis zur Behrenstraße. Sie schlängeln sich vorbei an Parkbuchten, die versetzt zueinander mal auf der einen, mal auf der anderen Straßenseite weiß auf dem Asphalt markiert wurden. Diese jüngste Straßenmalerei ist nichts anderes als die Zukunft. Die Zukunft der heiß diskutierten Radverkehrsführung in Berlin-Mitte.
Offensichtlich wird hier wert auf Tempo gelegt. Nicht unbedingt für die Radler:innen, die hier mal vorbeistrampeln sollen. Dafür sind die für sie eingezeichneten Spuren viel zu schmal, weniger als zwei Meter je Richtung. Überholen wird auf der neuesten Fahrradstraße kaum möglich sein. Dafür geht es mit dem Umbau ruckzuck.
Erst am Montag hatte Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) verkündet, dass die parallel verlaufende Friedrichstraße ab 22. November wieder für Autos freigegeben wird. Auf einen Widerspruch gegen das Urteil des Landgerichts will sie verzichten.
Verkehrspolitisch ist das Aus für Berlins einzige Fahrradstraße, die tatsächlich Autos radikal ausschloss, der größte Rückschritt seit vielen Jahren. Die CDU feiert sich, weil die „Fahrradautobahn“ zurückgebaut wird. Der Kampagnenbegriff allein zeigt, dass die Union Straßen nur in Autodimensionen denken kann. Ein paar Gewerbetreibende werden einen Sekt perlen lassen, in dem irrigen Glauben, dass nun alles gut werde. Dabei weiß doch jedes Kind, dass Autos für Innenstädte nicht die Rettung, sondern der Tod sind: Weil sie sei entweder zuparken und -lärmen. Oder ihre Besitzer gleich auf die grüne Einkaufswiese vor der Stadt bringen.
Ein kleiner Trost
Und Radfahrer:innen? Ihnen bleibt die Charlottenstraße als kleiner Trost. Sie hätte ein großer Wurf sein können, wenn sie gleich als Teil einer Trasse vom Tempelhofer Feld bis hoch zum Nordbahnhof gedacht wäre, wo in vielleicht sieben Jahren der seit sieben Jahren geplante Radschnellweg gen Norden gebaut werden soll. Aber es bleibt erstmal bei 500 Meterchen, die wie in Berlin üblich als Anwohnerparkraum gestaltet werden, auf dem man auch radeln darf. Das ist besser als nichts. Aber von einer visionären Verkehrswende unendlich weit entfernt.
Als erstes biegt am Dienstag ein PKW in die Fahrradstraße ein. Vorbei an dem neuen Einbahnstraßenschild, das ihn eigentlich draußen halten sollte.
Leser*innenkommentare
Uwe Lütge
Man könnte sich doch auch gemeinsam eine Art „momentane Fahrradstraße“ schaffen. Das ist dank der StVO überall möglich, wo eine Fahrbahn für den allgemeinen fließenden Verkehr ohne Ausschluss/Verbot des Fahrradverkehrs vorhanden ist:
StVO „§ 27Verbände
(1) Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. …
2) Geschlossene Verbände … müssen, wenn ihre Länge dies erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen; an anderen Stellen darf dieser sie nicht unterbrechen.
(3) Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere am Verkehr Teilnehmende als solcher deutlich erkennbar ist.
…“
Es empfiehlt sich also, mit 16 oder mehr Fahrradfahrenden streckenweise zusammen zu radeln, wobei eine auf Rot springende Ampel einen Verband nicht zerreißt, da er als eine Einheit gilt, so wie ein Lastzug aus Zugwagen und Anhänger.
Sinkt die Anzahl der zusammen Radelnden unter 16, gilt der Verband als aufgelöst. Es ist also vor Beginn eine Absprache erforderlich, mit wie vielen und bis wohin zusammen geradelt wird.
Ringelnatz1
... Diese jüngste Straßenmalerei ist nichts anderes als die Zukunft...
Also sprach Zarathustra
www.youtube.com/watch?v=dfe8tCcHnKY
Ick mußte erst mal bei Earthi nachschauen und bis zum Nordbahnhof klingt gut aber dann, 500 Meterchen, aus.
Historie:
www.deutschefototh...bildarchiv_0009231